daniliest
Vorneweg kann ich sagen, dass mich „Die Rabentochter“ völlig begeistert hat. Nach den ersten Seiten war ich noch ein wenig skeptisch. Wir treffen auf Rachel, die die letzten 15 Jahre auf eigenen Wunsch in einer Psychiatrie verbracht hat, da sie glaubt, ihre Mutter ermordet zu haben. Diesen Verdacht hat sie allerdings nie gegenüber irgendjemandem geäußert. Als sie zufällig Einblicke in die Polizeiakte erhält, beginnt sie, an ihrer Schuld zu zweifeln und entlässt sich aus der Klinik. Alles geht holterdiepolter und kommt irgendwie von ungefähr, so dass mir die Geschichte zunächst seltsam erschien. Mit Rachels Ankunft im Haus der Familie beginnt der Thriller seine gesamte Faszination zu entfalten und die Sogwirkung nimmt von Seite zu Seite mehr zu. Auf dem Cover ist ein typisches Blockhaus abgebildet, wie man sich ein Haus im Wald eben so vorstellt. Das Anwesen von Rachels Familie ist eine völlig andere Dimension und überrascht mit Reichtum mitten im Nirgendwo. Gesichert wie ein Hochsicherheitsgefängnis findet man unzählige Räume mit Waffen, Gemälden und ausgestopften Tieren. Die Kapitel erzählen abwechselnd in der Gegenwart von Rachel und in der Vergangenheit von ihrer Mutter Jenny, beginnend ab der Geburt von Rachels älterer Schwester Diana, einem wahrhaft teuflischen Mädchen, dass von Kleinkindalter an psychopathische Züge aufweist. Die Eltern versuchen ihre Tochter so gut es geht von der Außenwelt abzuschirmen, geraten aber immer wieder an die Grenzen ihrer Belastbarkeit. Die Autorin schafft eine atmosphärische, düstere Grundstimmung und man meint, den Geruch nach feuchtem Waldboden beim Lesen selbst wahrnehmen zu können. Karen Dionne verwebt Realität mit Visionen, Erinnerungen und Fantasie, so dass „Die Rabentochter“ an manchen Stellen fast märchenhafte Elemente bekommt. Wer die Natur liebt, wird sich von der Atmosphäre dieses Thrillers angezogen fühlen. Ich zumindest habe große Lust bekommen, selbst ein Gespräch mit einem Raben zu beginnen. Dies ist eine Geschichte über die Liebe in einer Familie und zu wilden Tieren sowie von Wahnsinn und von Taten gen jeder Vernunft, verpackt als modernes Märchen, wodurch „Die Rabentochter“ für mich zu einem sehr besonderen und originellen Thriller wurde. Ich vergebe sehr gerne 5 Sterne.