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gwyn

Posted on 10.12.2020

«Ich heiße übrigens Yeshi und bin zehn Jahre alt. Manchmal bin ich auch vierunddreißig und manchmal zwei, ich haben einen Tanzfuß, ein Flatterherz, Schmetterlinge im Bauch und mein Kopf kann steinfelsbetonhart sein. Mit Zahlen hab ich es nicht so. Bis auf die Uhr. Die hab ich jetzt gelernt.» Die zehnjährige Yeshi ist dunkelhäutig und adoptiert, lebt in Zürich bei ihrer Mutter. Papa lebt in London. Der neue Lehrer, Herr Bernasconi, möchte mit den Schülern ein Weihnachtsmusical aufführen. Die Schüler und Schülerinnen werden aufgefordert, Vorschläge zu machen, zu argumentieren, andere zu überzeugen. Demokratie üben. Yeshi möchte nun die «Belle» spielen, da die «Die Schöne und das Biest» nach der Abstimmung aufgeführt werden soll. Liv, die Neue, ist schnell das beliebteste Mädchen der Klasse, pocht auch auf die Rolle, erklärt, Yeshi ist schwarz und kann keine Prinzessin spielen. Es gibt keine schwarzen Prinzessinnen. – Belle ist doch gar keine Prinzessin! – Mit ihrem steinfelsbetonharten Kopf, ihrem Tanzfuß und dem Flatterherz will Yeshi das Gegenteil beweisen. Sie schreibt einfach ein eigenes Musical. Wird sie fertig werden? Wird sie eine Crew zusammenstellen, Kostüme, Bühnenbild? «Mein Tanzfuß zuckte, ich drehte mich. Einmal im Kreis und zurück. Viele Menschen eilten über die Straße. ber nirgendwo jemand mit dunkler Haut und krausem Haar so wie ich. Da hast du es, Yeshi, Kackbohne. Logisch wollen die eine blonde Prinzesssin. Sie könnte auch bind sein. Oder alt. Oder ein Mann. Nur dunkle Haut darf sie nicht haben.» Mopshündin Lola kann man nicht immer mitnehmen, Tätowierer Stefano ist ein guter Ratgeber, Schulkollege Lian ist der beste Freund von Yeshi. Doch der hat derzeit keine Zeit, da er für eine Tanzprüfung trainiert, um an einer Schule in London aufgenommen zu werden. Klassenkameradin Doro Glibberschlabberqualle, beste Freundin, trainiert auch wie besessen, da sie in eine Auswahlmannschaft im Fußball aufgenommen werden möchte. Liv? Wer ist das überhaupt? Und die Guccifrau, die immer im Busch versteckt fotografiert, der Mann mit der Kapuze und Influencerin Lilapurple aus dem Netz, die Yeshi überredet, ihre braune Haut zu bleichen, eine Menge skurriler Typen tauchen auf. Yeshi schreibt aus der Ich-Perspektive, in ihrem eigenen Sprachstil, «superglitzerluftigcool» – und der ist kunterbunt, da Yeshi eine Worterfinderin ist. Und genau das macht das Buch zum Leseerlebnis! Was macht Spaß und das ist kreativ! Yeshis inneres «Argumentmädel», versucht ihr die ein oder andere Idee auszureden, doch das funktioniert selten. Denn sie hat mehr Power als die Apollo 17, entscheidet spontan aus dem Bauch heraus. Ob ihre Idee Früchte tragen könnte, darüber denkt sie nicht nach: Ran an die Arbeit, nachher prüfen, ob das alles funktioniert. Pläne sitzen im Kopf, lediglich grob die Richtung auf dem Kompass weisend. Die Handlung ist rasant, es wird niemals langweilig. Ich hätte mir ein wenig mehr Entspannungsphasen in der Geschichte gewünscht. Garbriela Kasperski verdeutlicht sehr fein die Nöte der farbigen Yeshi, die auf Grund ihrer Hautfarbe ausgegrenzt wird, die sich eine weiße Haut wünscht. In diesem Zusammenhang, zeigt sie, wie gefährlich es ist, auf den Rat einer Bloggerin zu hören, die ein angebliches Rezept bereit hält, wie man sich die Haut aufhellen kann. Yeshi Flatterherz hat einen Traum und sie verfolgt ihn, konsequent, zwar chaotisch, Misserfolge steckt sie weg. Man könnte darüber diskutieren, ob ein zehnjähriges Mädchen ein Musical schreiben kann das auch noch in vier Wochen, Kostüme und Bühnenbau in der Zeit zu bauen sind – und ob für eine Schülergruppe das Ganze in der Zeit überhaupt leistbar ist, bzw. ganz ohne Proben. In einem Kinderbuch geht das. Das ist nebensächlich. Wichtig ist der konsequente Weg, die Begeisterung. Das erste Drittel des Buchs behandelt den Weg zur Abstimmung: Welches Stück soll aufgeführt werden? Es gibt eine Menge Vorschläge. Sucht Argumente und präsentiert eure Ideen, sagt der Lehrer. Je besser die Argumente und die Präsentation, umso mehr Leute wird man überzeugen. Dann folgt die Abstimmung. Das nennt man Demokratie. Die Gruppen, die nicht gewonnen haben sind traurig oder wütend, so läuft Demokratie, Mehrheitsbeschluss. Immer wieder gibt es Abstimmungen, und immer wieder wird der Begriff Demokratie eingeworfen. Mir wird hier ein wenig zu viel auf dem Begriff herumgeritten. Einmal hätte die Begriffserklärung gereicht. Insgesamt finde ich das Buch mit kleinen Abstrichen sehr lesenswert. Sprachlich gelungen, turbulent, spannend, humorvoll, eine starke Heldin, die garantiert nicht perfekt ist und eine Menge Sorgen mit sich herumschleppt. Die Altersempfehlung des Aris Verlags wird mit ab 8 Jahren empfohlen, für mich völlig in Ordnung. Gabriela Kasperski war als Moderatorin im Radio- und TV‑Bereich und als Theaterschauspielerin tätig. Heute lebt sie als Autorin mit ihrer Familie in Zürich und ist Dozentin für Synchronisation, Figurenentwicklung und Kreatives Schreiben. Sie schreibt Krimis und Kinderbücher.

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