kingofmusic
Was für ein verrücktes Jahr ist das bitteschön? Ein Jahr auf jeden Fall, welches in Punkto „Was lese ich gerne? Von was sollte ich lieber die Finger lassen?“ gerade zum Ende hin einige Überraschungen (oder - je nach Standpunkt - auch nicht) bereithält. Durch Zufall bekam ich die Möglichkeit, die Neuübersetzung von „Die kleine Schwester“ von Raymond Chandler (Erstveröffentlichung: 1949) zu lesen. Nun, mein lesehungriges Ich überfüttert sich scheinbar gerne mal mit Dingen, die ihm (eigentlich) gar nicht wirklich schmecken. Und ich darf es jetzt anhand einer Rezension wieder ausbaden – tolle Wurst :-). Nun gut. Angesiedelt in Hollywood mit all seinen Stars, Sternchen, Glitzer-, Glamour- und sonst was für hin- und dahergelaufenen„Helden“ und einem schier unwiderstehlichen Privatermittler *roll eyes* namens Philip Marlowe kredenzt Herr Chandler den Leser:innen eine Welt, in der ich auf Gedeih und Verderb nicht leben wollen würde. Hier wimmelt es vor Lug und Betrug, vor schönem Schein, vor Mord, vor Korruption. Spätestens jetzt würde ich meinem kindlichen Ich, das von einer Karriere in eben diesem Metier „träumte“, davon abraten. Denn auch wenn sich in gut 70 Jahren einiges geändert hat: viele Probleme bleiben gleich, verlagern sich… Da es mein erster (und vermutlich gleichzeitig auch letzter) Chandler-Roman war, kann ich nicht sagen, ob und wie weit die Figur des Philip Marlowe sich entwickelt hat oder nicht – in „Die kleine Schwester“ wird er mir nach und nach eher unsympathisch. Auch das durchgehend transportierte mehr als fragwürdige Frauenbild hat mich (als Mann!) eher abgeschreckt. Nun gut, die geneigte Leserschaft muss bzw. sollte den damals geltenden „Zeitgeist“ bei der Lektüre „berücksichtigen“ – egal, wie man persönlich zu diesen Dingen steht. Der Fall ist einigermaßen verworren; es wird gemordet was das Zeug hält, als Leser*in weiß man nicht genau, woher Philip Marlowe seine „Informationen“ hat, es gibt viel (überflüssiges) Personal und die Unwiderstehlichkeit unseres Helden ist auf Dauer anstrengend und hat sich nach zwei Szenen abgenutzt. All das zeigt, dass auch Klassiker nicht automatisch das Recht auf eine Klassikerbenotung haben; von daher gebe ich drei bronzene Sterne und werde wohl doch wieder genauer auf die mir angebotene Lektüre schauen (müssen). ©kingofmusic