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Buchdoktor

Posted on 8.12.2020

Im hohen Norden Kanadas ging niemand zu Fuß, schoss es Eric durch den Kopf – schon gar kein Kind in Turnschuhen und zu klein gewordener Kleidung. Das kleine Mädchen auf dem Weg erkennt den Ex-Mountie Eric Nyland sofort; denn Hannah lebt direkt gegenüber bei Nigel Wilson. Außer den Nylands und Wilson wohnt hier niemand. Nyland war mit seiner Familie wieder in den Ort seiner Kindheit zurückgekehrt, weil seine Frau Ellie sich vom Landleben eine Art Heilung erhoffte. Mit Erics dementem Vater, dem pubertierenden Daniel und dem jüngeren Sammy samt dessen auffälligem Problem aus dem Autismus-Spektrum hat Ellie alle Hände voll zu tun. Vier Männer im Haus, die jeder ihren Kram neben sich fallen lassen, dazu die perfektionistische Ellie, der kaum jemand etwas gut genug machen kann – diese Konstellation kann über die Feiertage nur eskalieren. Hier oben fällt im Winter so viel Schnee, dass einige Bewohner ein Kabel zwischen Haus und Schuppen spannen, um sich nicht im Schneegestöber zu verirren und draußen zu erfrieren. Als Eric Hannah aufsammelt, ist ihm sofort klar, dass sie traumatisiert sein muss. Eric kennt Nigel von früher und traut einem Kerl nichts Gutes zu, der offiziell Homeschooling für die Tochter seiner verstorbenen Lebensgefährtin beantragt, damit draußen niemandem auffällt, dass Hannah vernachlässigt und traumatisiert ist. Wie Eric seiner Ellie „nur über die Feiertage“ zu aller Last ein fremdes Kind aufschwatzt, das verrät viel über die Probleme in der Ehe der beiden. Wenn Ellie nicht endlich Grenzen setzt, wird sie bald zusammenbrechen. Hannah, voller Angst einen Fehler zu machen und dafür bestraft zu werden, erweist sich jedoch als Segen für die Nylands. Dass sie ein Mädchen ist und Sammys Zwangshandlungen unvoreingenommen gegenübertritt, tut allen Familienmitgliedern gut. Als am Tag nach einem aufregenden Weihnachtsfest die Sozialarbeiterin Betty zu Nylands kommt, um Hannah in eine Pflegefamilie zu bringen, kann sich keiner der Nylands vorstellen, das Mädchen gehen zu lassen … Fran Kimmels emotionales Weihnachtsmärchen baut über 6 Tage hinweg ein Szenario auf, das sich mit einem Blick erfassen lässt. In einer Familie mit derart vielen Problemen kann auch das perfekteste Weihnachtsfest die Risse nicht kitten, wenn das Elternpaar nicht miteinander spricht. Mit Focus auf wechselnden Personen erfahren Kimmels Leser, was die Beteiligten davon abhält, endlich auszusprechen, was sie sich erträumen. Dass Hannahs Bemühen, freundlicher, dankbarer und begabter sein zu müssen als andere Kinder, zu lange unwidersprochen bleibt, ist allerdings ein Wermutstropfen, der nicht mehr in die heutige Zeit passt. Auch im Märchen müssen Kinder nicht mehr ungewöhnlich begabt sein, um wahrgenommen zu werden.

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