marcello
Für mich persönlich ist „Wenn du bei mir bist“ die erste Begegnung mit der Autorin Renée Carlino. Folglich kannte ich ihre Stilistik bis dato überhaupt nicht, so dass ich von diesem Buch, von dem ich zugegebenermaßen Schema F erwartet habe, doch überrascht wurde. Das ist aber nicht gleich überschwänglich positiv gemeint, aber es ist dennoch interessant, dass Carlino einen Weg gefunden hat, in einem recht starren Rahmen einen gewissen Spielraum zu finden. Ich fand es erst etwas schwer, in das Geschehen hineinzufinden, denn Kate und der U-Bahn-Priester Bob kam für mich erstmal etwas seltsam daher. Ich hatte die Befürchtung, dass es um eine esoterische Geschichte gehen würde. Nicht, dass ich Esoterik verurteilen würde, aber es wäre somit nicht das Buch gewesen, was ich mir erwartet habe. Das Bild wandelt sich aber recht schnell, denn mit dem Weingut wiederum ist ein wunderbares Setting gefunden worden. Zwar war recht schnell klar, was dort geschauspielert wird, aber ich hatte auch nie das Gefühl, dass die Autorin da wirklich ein Geheimnis draus machen wollte. Dass ich sofort an das Geschehen gebunden war, lag sicherlich daran, dass Kate und Jamie eine wirklich tolle Anziehungskraft haben. Es gab stets das gewisse Knistern, wodurch auch besser damit leben konnte, dass der Beginn ihrer Beziehung in einem rasanten Tempo erzählt wurde. Denn vermeintlich war in weniger als einer Woche alles geklärt, was ich im Grunde völlig unrealistisch finde, aber in die Geschichte hat es definitiv gepasst. Und dann kam eben der Punkt, wo nichts mehr so lief, wie ich es vermutet hätte. Es kommt natürlich zu einer dramatischen Situation, die das Paar vorerst voneinander trennt. Hiernach gönnen sich Autoren in der Regel noch 30 bis 50 Seiten, um die Versöhnung herbeizuführen. Ich habe mich zwar schon gewundert, warum über 100 Seiten ausstehen, aber gerade bei E-Books sind gerne noch Leseproben hinten angehangen. Aber hier nicht so. Wir verfallen in eine recht langatmige Depressionsphase. Das muss ich jetzt so betonen, weil wie gesagt das Erzähltempo davor so dreifach so schnell wirkt. Auf einmal ist alle der Zeit. Auch wenn ich es grundsätzlich realistisch finde, dass man einen Vertrauensbruch nicht mal eben abnickt und einfach weitermacht, so finde ich es aber schwerwiegender, wenn das Tempo einer Geschichte nicht gleichmäßig ist. Und bei dem Losgaloppieren zu Beginn kann diese Periode nur langatmig wirken. Als es dann Richtung Happy End geht, kommt aber eine Wendung, die ich so nicht erwartet hätte, mit der ich aber leben konnte, denn sie hatte Knalleffekt und nachdem ich davor fast eingeschlafen war, hat es mich natürlich wachgerüttelt. Nur leider passt für mich danach einiges wieder nicht zusammen. Es ist zwar eine Art Happy End, aber eben auch kein endgültiges, weswegen die erneute Herauszögerung ebenfalls sehr langatmig daherkam. Zudem haben dort die Funken zwischen Kate und Jamie nicht mehr so gesprüht, denn es wurde sich recht oft gestritten und die diversen Zweifel waren überdramatisiert. Natürlich gab es in diesem letzten Abschnitt noch viele tolle und berührende Momente. Einige Punkte, wo es ein rundes Ende gab und wo ich sehr versöhnlich aus der Geschichte gehe. Doch insgesamt hätte man dem Geschehen auf dem Weingut mehr Zeit einräumen können, um dann hinten heraus etwas zu stutzen. Fazit: „Wenn du bei mir bist“ hat es geschafft, in dem recht strengen Korsett eines Liebesromans sich genug Spielraum zu verschaffen, um durchaus mit Überraschungen aufwarten zu können. Aber das kann nicht gänzlich überspielen, dass das Erzähltempo nicht einheitlich ist und dass zu sehr aufs Gas gedrückt wurde, wo Ruhe gut getan hätte und umgekehrt. Gerade zum Ende hin wurde es viel zu langatmig. Dennoch eine insgesamt unterhaltsame Geschichte.