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Daniel Mendelsohns Roman ist zugleich Memoir, Familiengeschichte, Literaturexkursion samt Interpretation und Reisebericht. Sein Held, er selbst, ist Professor für Altphilologieals sein 81 Jahre alter Vater beschließt in seine Seminar zu kommen um sich anzuhören, was sein Sohn, in dieser, für ihn, den Mathematiker, so unpräzisen Wissenschaft, den jungen Leuten über Homers Odyssee erzählt. Basierend auf dieser so vielfältigen Erzählung begeben sich Vater und Sohn auf eine Reise zu den Schauplätzen der Stationen des Odysseus. Das Buch fiel mir in der Stadtbibliothek in die Hände, weil mich das Cover ansprach, erinnert es doch ein wenig an „Die große Welle von Kanagawa“ von Katsushika Hokugai. Ein Bild das mir ausnehmend gut gefällt und bei Mendelsohn noch dazu von einem dramatisch aufgesetztem Segelschiff gekrönt wird. Was sich unter diesem Cover verbarg hat mich mitgenommen, eingefangen und hingerissen. Angefangen beim Erzählstil des Autors der einen mitten in diese Erzählung wirft und seinen Erläuterungen zur Odyssee, deren Protagonisten ihren Erfahrungen, Erlebnissen und ihrem persönlichen Wachsen. Es ist, wie auch die Geschichte aus der griechischen Antike, eine Erzählung über Liebe, Loyalität, Verrat, Treue und Tod. Eine berührende, faszinierende Geschichte während der sich Vater und Sohn näherkommen, Verständnis füreinander entwickeln und ihre gemeinsame Reise durchs Leben betrachten. Stilistisch großartig wechselt der Autor mühelos zwischen dem antiken Epos, der Vergangenheit von Sohn und Vater, Interpretationen der Odyssee und dem Seminar mit seinen Diskussionen. Der akkurate Mathematiker Jay und sein Sohn der sich, aus seiner Sicht, einer so wenig exakten Wissenschaft wie der Altphilologie widmet nähern sich an, betrachten gemeinsam vergangene Geschehnisse aus ihrer Familie. Daniel Mendelsohn hat ein zauberhaftes, überraschendes und außergewöhnliches Buch geschrieben, das ich nicht mehr weglegen wollte und in dem ich tatsächlich wieder einmal komplett versunken bin. Eine literarische Perle, von der ich hoffe, dass sie noch viele andere Menschen so berührt wie mich und die ich sehnsüchtig als Hörbuch erwarte. Eine Odyssee die keine Irrfahrt sondern eine Reise in familiäre Eigenheiten und Geschichten ist. Eine von Liebe getragene Reise, sprachlich wunderschön und auf vielerlei Ebenen mäandernd ohne die Verbindung zu verlieren zu dem was zählt. Eines meiner Highlights 2020.