Gabriele Feile
Erstaunlich kompakt Schon das Format der gebundenen Ausgabe ist entzückend: es wirkt wie ein (ziemlich dickes) Notizbuch mit abgerundeten Ecken und im A6-Format. Perfekt für die Handtasche. Und das dünne Papier erinnert an ein anderes dickes Buch, das ich habe: die Bibel. Vielleicht wird das Buch mal zu einer Art Bibel für zukünftige Generationen. Das Potenzial dazu hat es, und der Autor, John Ironmonger, bezieht sich auch drauf, genauso wie auf den Koran. Erstaunlich prophetisch Das englische Original erschien bereits 2015, die deutsche Ausgabe ist von 2019. Sie erschien also rechtzeitig, bevor eine weltweite Pandemie unseren Planeten heimsuchte. Und erzählt genau das: ein neuer Grippevirus, der vom Virenstamm der Spanischen Grippe stammen soll, hält die Welt in Atem. Und alles ist von heute auf morgen anders. Erstaunlich genau Fast könnte man meinen, Ironmonger hat die Software, „Cassie“ genannt, selbst genutzt, um so genau das vorherzusehen, was wir im Jahr 2020 erleben. Diese Software ist es nämlich, die die Welt im Buch zu guter Letzt „rettet“. Sie basiert auf einem Programm, das die Entwicklungen für Börsenkurse vorhersagen kann, indem es globale Zusammenhänge und deren Folgen erkennt. Und weil alles mit allem zusammen hängt, kann der Analyst Joe rechtzeitig reagieren und das Dorf, in dem er nach seiner Flucht aus einer Bank in London gestrandet ist, auf die Pandemie vorbereiten. Er befindet sich in St. Piran, einem knapp 300-Seelen-Dorf, das buchstäblich am Ende der Welt liegt, also abgeschnitten von all den Verbindungen auf dem Globus - so scheint es. Erstaunlich menschlich Die Geschichte baut zunächst, ähnlich wie viele andere, auf der Theorie von Thomas Hobbes auf, nach der alle Menschen habgierig und egoistisch sind und im Ernstfall nur an sich selbst denken. Hier lässt sich eine Brücke zum Buch „Im Grunde gut“ von Rutger Bregman bauen, der diese Theorie auseinandernimmt und widerlegt. Wie Bregman deckt auch Ironmonger, wenn auch in anderer Form, auf, dass wir Menschen nicht alle zu „Bestien“ werden, wenn es hart auf hart kommt. Stattdessen helfen sich Menschen in Krisen, sie teilen ihr Hab und Gut, ihre Lebensmittel und ihre Gefühle und Emotionen. Im Buch passiert das am deutlichsten an Weihnachten, als das Nachbardorf mit rund 1.000 Einwohnern zum Essen eingeladen wird. Und hier kommt auch der Wal wieder ins Spiel, der dem Buch seinen Titel gibt. Erstaunlich „austauschbar“ Sowohl „Cassie“, die Software, als auch Joe und sein Chef übersehen ein vitales Thema: dass Geld nicht das Mittel ist, um das sich alles dreht. Die Menschen in St. Piran entdecken den Tauschhandel wieder, als es „eng“ wird. Und tauschen nicht etwa „Gleichwertiges“ sondern das, was sie haben, gegen das, was sie brauchen. So wechseln Autos, Boote und Kisten voll mit Brandy ihre Besitzer - ohne Gier und Neid. Erstaunlich berührend Das Buch „Der Wal und das Ende der Welt“ von John Ironmonger ist ein zauberhaftes und unterhaltsames Buch, das tiefe Emotionen auslösen kann, falls Leser:innen sich aufs Reflektieren einlassen. Es liefert Antworten auf viele offene Fragen unserer Zeit. Und diese Antworten sind gar nicht kompliziert. Vielleicht sind sie zu einfach, um sie einfach umzusetzen? Ich empfehle allen Menschenfreund:innen (und auch allen anderen) das Buch zu lesen, gerne zwei Mal.