Buchdoktor
Nicolaas Storm erzählt im Rückblick vom Ende der Zivilisation, von der neuen Zeitrechnung, die seine Generation einführte und von den entscheidenden Jahren zwischen seinem 13. Und 18. Lebensjahr. Zwei Virenstämme von Mensch und Fledermaus hatten sich vereinigt und zu einer verheerenden Seuche geführt, die nur wenige Menschen überlebten und die die uns vertraute Zivilisation zusammenbrechen ließ. Im dünn besiedelten Südafrika sind das u. a. elternlose Kinder, die als einzige ihrer Familie überlebt haben. In diesem postapokalyptischen Szenario ist Nico Storm mit seinem Vater Willem unterwegs. Die beiden verfügen über einige nützliche Gegenstände, doch wie in jedem dystopischen Szenario zeichnet sich ab, dass Vater und Sohn ohne Trinkwasser, Elektrizität und die Kooperation mit anderen Menschen nicht lange überleben werden. Irgendwann sind die Lebensmittelvorräte in den Vorratskellern und Supermärkten verbraucht und die Überlebenden müssen Lebensmittel anbauen und gegen menschliche und tierische Nahrungskonkurrenten verteidigen. Nico erzählt aus der Position eines fast 50-jährigen seine Erlebnisse in der Epoche „nach dem Fieber“ und fügt stellvertretend für das Schicksal abwesender Personen Interviewschnipsel ein, die Weggenossen für ein Geschichtsprojekt in Diktiergeräte gesprochen haben. Hätte das Fieber nicht 95% der Weltbevölkerung ausgelöscht, hätte Nico sich in der Pubertät aus der engen Beziehung zu seinem Vater lösen können und von anderen Autoritäten lernen. Doch als Willem Storm beschließt, eine völlig neue Lebensweise zu begründen, zwingt diese Entscheidung Nico zunächst in die Rolle des Sohns vom Anführer. Bereits als die ersten Mitglieder des Projekts Amanzi eintreffen, stehen sich drei äußerst unterschiedliche Männer gegenüber, die erbittert um den Führungsanspruch kämpfen werden. Im Moment, als Bischof und Pfarrer aus dem Bus steigen ist klar, dass die neue Lebensweise durch die alten Machtstrukturen eines rassistischen Staates bedroht wird. Während an ihrem geschickt gewählten Standort die Gemeinschaft ständig wächst, müssen elternlose Kinder betreut, Kranke behandelt und müssen Nahrungsmittel angebaut werden. Als Amanzi von einer marodierenden Bande überfallen und ausgeraubt wird, steht fest, dass die Gemeinschaft sich bewaffnen und verteidigen muss. Das Auftreten der jungen Sofia Bergman führt zwei jugendliche Hauptfiguren zusammen, um deren Überleben fortan gebangt werden muss. Sofia, eine erfolgreiche Querfeldeinläuferin und Armbrustschützin, wurde auf der Farm der Familie zu allen Arbeiten herangezogen wie ihre Brüder auch. Sie entlarvt durch ihr Auftreten den Denkfehler der Amanzi-Führung; denn sie hat nicht die Absicht, brav zu schweigen und sich fortan mit Haushalt und Gartenbau zu beschäftigen. Domingo, der für die Verteidigung der Gemeinschaft nach außen zuständig ist, lässt Sofia und Nico im Geländelauf gegeneinander antreten. Gewinnt Sofia, wird sie in Amanzis Armee aufgenommen, gewinnt Nico, wird er befördert. In dystopischen Szenarien ist häufig abzusehen, dass die Figuren sich weder fortpflanzen, noch sehr lange überleben werden, weil sie dazu sesshaft werden und eine Gemeinschaft bilden müssten. Deon Meyer führt in „Fever“ seine Leser in eine postapokalyptische Szenerie, in der die Menschen offensichtlich die ersten Jahre "nach dem Fieber" überstanden haben. Ihre Gemeinschaft folgt auf die uns bekannte Facebook-Gesellschaft und muss sich kritisch damit auseinandersetzen, wie sie zukünftig leben will. Entstanden ist ein großartiger, genauestens recherchierter Roman aus der Perspektive zweier jugendlicher Hauptfiguren. In einem realistischen Szenario müssen Menschen u. a. gegen wilde und verwilderte Tiere ihre Lebensgrundlagen verteidigen – und sich eine neue gesellschaftliche Ordnung erarbeiten. Neben organisatorischen Fragen, wie man z. B. in einer sehr kleinen Gemeinschaft Fachwissen beschafft und weitergibt und dem Fiebern, ob Sofia und Nico wohl ein Paar werden, wirft Deon Meyer eine Reihe von philosophischen und ethischen Fragen auf, die uns bereits heute auf den Nägeln brennen. Dass seine jugendlichen Figuren meine Idole sein würden und ich Meyers Detailfreude loben würde, war ja klar. Wie eine Gesellschaft Männer, Frauen und diverse Kulturen an ihrer Werteentwicklung beteiligen kann, wird mich nach der Lektüre noch eine Weile beschäftigen. - Ganz klar ein Roman, den ich mit auf eine einsame Insel nehmen würde. (13.3.2019)