papierfliegerin
Wie auch schon aus „Cyber Trips“ bekannt, gibt es auch hier eine kurze Zusammenfassung der Geschehnisse der vorherigen Teile. Dies sorgt für einen reibungslosen Einstieg in das große Finale und alle Erinnerungen werden noch einmal mit wenigen Sätzen aufgewärmt. Danach geht es nahtlos mit der Geschichte weiter, denn dank des fiesen Cliffhangers in Band 2, kann Band 3 von Anfang an so richtig Vollgas geben und des Leser direkt bei der Hand packen und mit sich zerren. Allgemein ist das Erzähltempo wieder enorm rasant und es gibt kaum Verschnaufpausen. Alles passiert Schlag auf Schlag; eine Überraschung jagt die vorherige und die Wendungen sind so geschickt und ausgeklügelt platziert, dass man alle Überlegungen, was wohl noch geschehen könnte, über Bord wirft und sich einfach mitreißen lassen muss. Marie Grasshoff hat es wieder geschafft, eine komplett undurchsichtige Storyline zu kreieren und übertrifft sich im Laufe des Buches immer wieder selbst mit ihren Ideen und Plots. „Beta Hearts“ zu lesen ist nicht mit normalem Lesen vergleichbar – es ist, wie ein Actionfilm, in dem man selbst die Hauptrolle spielt. Es ist, als wäre man alle Charaktere auf einmal, als würde man selbst ständig in Kämpfe verwickelt sein. Dieses Finale bringt Herzrasen, Bluthochdruck, Atemlosigkeit – es macht einen regelrecht fertig und kann einen, durch diese hohe Action-Komponente, komplett einfangen. Dazu kommt die Tatsache, dass sich die Erzählstränge [mehrere Perspektiven also] immer wieder begegnen, über eine gewisse Zeit Hand in Hand gehen, überkreuzen, auseinandergehen, nur um schlussendlich noch einmal aufeinander zu treffen; nämlich für den großen Showdown. Doch neben all diesem Lesegenuss, den das Buch mit sich bringt, setzt die Autorin noch auf etwas anderes: auf Tiefgründigkeit. Schon in Band 2 kamen erste Seitenhiebe gegenüber der Gesellschaft ans Licht; doch hier lässt uns die Geschichte nochmal alles, woran wir je geglaubt haben, in Frage stellen. Oder habt ihr schon mal über den bloßen Sinn der menschlichen Existenz nachgedacht? Über Nachhaltigkeit, Umwelt, Ausgrenzung und Politik? Das und noch vieles mehr wirbelt hier durch die Atmosphäre und regt immens zum Nachdenken an. Spannend. Das ist es, was die ersten beiden Drittel sind. Doch dann kommt das epische Finale, die große Schlacht quasi, vor der wir Leser uns seit Band 1 fürchten. Dafür ist spannend wohl nicht mehr der richtig Begriff. „Nervenzerreißend“ passt hier schon deutlich mehr. Denn der große Showdown beginnt nicht etwa auf den letzten Seiten, sondern zieht sich über mehrere Kapitel und beherbergt zahlreiche Wendungen innerhalb des großen Finales. Das entgültige Ende, die große Auflösung kommt dann sehr aprupt, sehr schnell und ist in der nächsten Sekunde auch schon abgehandelt und vom Tisch gefegt. Das lief mir alles zu glatt, zu problemlos und es hätte durchaus mehr Drama und Fehlschläge vertragen. Gerade wenn man einmal vergleicht: die ersten beiden Bände PLUS die ersten zwei Drittel dieser Trilogie waren explosiv, gewaltvoll, spannend und vollgepumpt mit Rückschlägen, Opfern, etc. Und der finale Schlag gegen Kami lief dann so reibungslos ab. Für mich nur schwer zu verkraften, einfach weil ich mir so viel mehr gewünscht hätte. Selbst der Epilog konnte mich anschließend nicht mehr glücklich machen. In meinen Augen ein zu offenes Ende; zu viele nicht beantwortete Fragen und zu wenig Aufklärung über gewisse Verbindungen, Zukünften und Aussichten. Der Schreibstil lässt sich allerdings drehen und wenden, wie man möchte; er ist und bleibt genial. Marie Grasshoff’s Worte erzeugen nicht nur eine enorm dichte Atmosphäe, sondern gleichzeitig auch einen enorm starken Sog, dem man sich nicht entziehen kann. Man rauscht nur so durch die Seiten, kann sich dabei aber dennoch alles der bildgewaltig vorstellen und ist komplett im Neon Birds Universum versunken. Das Buch liest sich leicht und flüssig, bedarf aber aufgrund der Komplexität der Geschichte ein gewisses Maß an Aufmerksamkeit. Doch in Anbetracht der durchweg nervenzerreißenden Spannung hat man ohnehin kaum Zeit, abzudriften mit den Gedanken. Desweiteren gibt es auch wieder etliche fast poetische Sätze, die einem unweigerlich ans Herz gehen und zum Nachdenken anregen. Marie kann mit Worten umgehen, wie kaum ein anderer Autor in diesem Genre und allein aus diesem Grund wird mir die Trilogie nicht nur lange nicht mehr aus dem Kopf gehen; sondern sicher auch ein ReRead werden zu gegebener Zeit. Besonders gut gefiel mir auch hier wieder, wie ich es bereits in Band 1 und 2 gelobt habe, die unterschiedlichen Perspektiven, aus denen die Story erzählt wird. Die einzelnen Handlungsstränge verbinden sich immer wieder zu Teil miteinander, laufen wieder auseinander, nur um sich dann mit anderen Strängen zu verknüpfen. So entsteht ein regelrechtes Netz und es bereitet größte Freude, jedem einzelnen zu folgen. So wird es nie langweilig und bleibt stets abwechslungsreich und spannend. So muss eine Geschichte aufgebaut sein, um den Leser zu catchen und immer wieder zu überraschen. Die Charaktere durchleben auch hier wieder eine wahre Höllenfahrt. Der Kampf um die Rettung der Erde liegt in ihren Händen und jeder geht damit komplett anders um. Die Ausarbeitung der unterschiedlichen Ansichten und Herangehensweisen ist der Autorin enorm gut gelungen und die Unterschiede heben sich kristallklar voneinander ab. So kann man zu einem jedem Charakter eine entsprechende Beziehung aufbauen. Aber was, wenn sich Pläne und Wesenszüge plötzlich ändern? Besonders eine Figur fiel mir da sehr negativ auf. Ihre Entwicklung wollte mir bis zum Schluss einfach nicht so recht einleuchten – woher plötzlich der Sinneswandel? Wieso auf einmal ganz andere Einstellungen? Sehr schade – das ist einer der Punkte, der mir am Ende gefehlt hat. Da wäre Aufklärung nötig gewesen. Ansonsten lässt sich allerdings sagen, dass die Charaktere (fast) alle wieder überzeugen können. Ein jeder legt eine glaubwürdige Entwicklung an den Tag; wächst mit seinen Aufgaben und bleibt sich selbst treu. So gefielen mir die fünf Jugendlichen, Flover, Luke, Andra, Okijen und Byth, enorm gut! Sie alle habe ich unheimlich ins Herz schließen können und ich weiß schon jetzt, dass ich jeden einzelnen schmerzlichst vermissen werde. Sie harmonieren weiterhin extrem gut miteinander; agieren glaubhaft und lebendig und stehen in den unterschiedlichsten Verbindungen zueinander. Selten habe ich innerhalb einer Gruppe so eine Vielfältigkeit erlebt und ich bin zutiefst froh, sie alle kennenzulernen. Jeder vertritt eigene Werte und bringt uns anderweitig ins Grübeln. Die Konstellationen untereinander (Freundschaft/Liebe/Zuneigung/Antipathie) sind zahlreich vertreten und ebenfalls sehr gut ausgearbeitet. Mein All Time Favourite wird definitiv Okijen bleiben, weil er so anders ist; so besonders; und sein Herz dennoch am rechten Fleck trägt. Weil er immerzu ein offenes Ohr hat und sein eigenes Wort so oft hinter das, der anderen stellt. Aber auch Andra, die Außenseiteri, macht sich hier gewaltig. Sie wird so viel reifer, erwachsener und einfach greifbarer. Sie blieb ja über die ersten beiden Bände hinweg sehr undurchsichtig und geheimnisvoll – inzwischen ist klar, warum. Und der Grund hat es in sich. Selbst Luke und Flover legen eine Wandlung an den Tag, mit der ich so nicht gerechnet hätte. Ihre Freundschaft war schon immer sehr tiefergehend, doch im dritten Band erzeugte das regelrechten Neid – diese bedingungslose Loyalität die zwischen ihnen herrscht. Wow. Beeindruckend und einfach wunderschön zu beobachten. Ansonsten lässt sich gar nicht mehr allzu viel zu den Figuren sagen. Schön fand ich auch die Kennenlern-Phasen, zwischen den einzelnen. Denn während zuvor noch einige ihre eigenen Wege gegangen sind, fließen die Stränge nun allesamt zusammen und die Figuren begegnen sich unweigerlich. Das war höchst interessant zu verfolgen. Alle Randfiguren, die ebenso einen Teil zum Geschehen beitragen, waren wieder genau so detaillreich und greifbar, wie es auch die Hauptfiguren waren und besonders die großen Drei brachten einiges an Chaos ins Spiel. FAZIT: „Beta Hearts“ von Marie Grasshoff kann vom Lesespaß her definitiv mit den beiden Vorgängerbänden mithalten. Undurchsichtig, temporeich und hochgradig spannend! Was für ein legendäres Abenteuer, was ich da erleben durfte. Voller Überraschungen und Wendungen, geschickt eingefädelt und absolut abwechslungsreich. Auch die Charaktere begeistern durch realistische Entwicklungen. Nur leider kann zwar der Weg zum Ziel; nicht aber das Ziel selbst überzeugen. Für mich lief die Auflösung zu glatt ab und es gab so gut wie keine Rückschläge innerhalb des Showdowns. Auch die etlichen, noch offenen Fragen liegen mir doch schwer im Magen. Einiges bleibt ungeklärt und die Erklärung zu manch Plot fehlt. Meines Erachtens nach wurde es sich hier ein bisschen einfach gemacht. Besonders im Vergleich zum restlichen Verlauf der 3-teiligen Reihe ist das Finale leider schwach. Trotzdem blicke ich extrem positiv auf die Neon Birds Trilogie zurück und bin mir sicher, dass das zu gegebener Zeit ein absoluter ReRead-Kandidat ist.