papierfliegerin
Bevor wir heute mit der Rezension beginnen, gibt’s ein kurzes Vorwort: Morgane Moncomble beschäftigt sich hier mit einer enorm schwerwiegenden Thematik und hat diese auch noch sehr breit gefächert und detailliert ausgearbeitet. Bereits in den ersten Minuten des Hörbuchs erfolgt deshalb eine Triggerwarnung zu mehreren Bereichen und obwohl ich davon selten ein Fan bin, finde ich sie hier mehr als angebracht. Wer also gewisse Probleme in Bereich von sexueller Gewalt/Missbrauch und/oder Depressionen hat und da eher anfällig ist, sollte doch lieber einen Bogen um dieses Werk machen. Ich selbst bin da zwar recht hart im Nehmen, fühlte mich zum Teil aber doch extrem unwohl beim Lesen. Die Geschichte beginnt bereits sehr schwermütig, die Grundstimmung ist direkt sehr gedrückt und man merkt die Last der Thematik vom ersten Moment an ganz deutlich. Trotzdem gelang mir der Einstieg absolut problemlos und ich fand mich zügig zurecht und soweit man das so nennen kann, wohl an Azalee’s Seite. Wir lernen sie nach und nach kennen; und auch der männliche Part kommt zeitnah ins Spiel. Der Spannungsbogen ist direkt spürbar; nicht zuletzt wohl auch, weil sich so viel hinter den Charakteren verbirgt und die Geheimnisse einen großen Teil des Buches einnehmen. Zusammen mit der Protagonistin an den Ort ihrer schlimmsten Zeit zurückzukehren, jagt einem einfach auch einen deutlichen Schauer den Rücken hinab. Man will sich gar nicht vorstellen, wie sie sich fühlen muss – und trotzdem tut man es und fühlt automatisch mit ihr mit. Ich war von Beginn an absolut mitgerissen und unheimlich gespannt, wie weit die Autorin wirklich gehen wird. Selbst nach dem recht turbulenten Einstieg geht es Schlag auf Schlag weiter und die Geschichte scheint einen, von Zeit zu Zeit, immer wieder zu erdrücken. Die emotionale Belastung, die hier auf den Leser ausgeübt wird, ist schrecklich wie faszinierend zugleich und hielt mich dauerhaft in einem festen Klammergriff. Ich war mitten drin, litt und weinte mit Azalee und wollte trotz all den schmerzhaften Gefühlen immerzu wissen, wie es weitergeht. Selten berührte mich eine Geschichte so sehr wie diese hier. Und das, was mich letztlich überzeugte war, dass es trotz all der Düsternis noch immer Lichtblicke gibt und Hoffnung ein unglaublich wertvolles Gut war. Morgane Moncomble hat die perfekte Mischung geschaffen, indem sie die Härte der Realität immer wieder durch schöne Momente auflockerte. Denn sie zeigt ganz deutlich auf, dass man gerade in schweren Zeiten jemanden braucht, der einen auffängt – Freunde, die hinter einem stehen und nicht wegschauen, wenn man mal nicht rund läuft. Aber auch, dass vieles, was geschieht, auch einfach Schauspiel sein kann; oder Fassade – um das gebrochene Herz bestmöglich zu verbergen. Allgemein scheint es der Autorin ein enorm wichtiges Anliegen gewesen zu sein, Werte zu vermitteln. Nicht nur, dass Freundschaft eine tragende Rolle spielt, auch andere Faktoren drängten sich in mein Bewusstsein. Der offene Umgang mit Sex spielt ebenso eine wichtige Rolle wie Mobbing. Immer wieder verharrte ich kurz und ließ die Sätze auf mich wirken. Es gibt so viel zu entdecken, so viel zu erleben; aber auch wahnsinnig viel zu ertragen. Besonders das Ende kostet den Leser einiges an Kraft. Hier wird ein Schritt gewagt, der mutig ist – der das Fass vielleicht zu Überlaufen bringen könnte, wenn man nicht aufpasst. Ich hätte ehrlich nicht damit gerechnet und war eine geraume Weile einfach sprachlos. Dabei wurde besagter Twist aber ehrlich grandios umgesetzt. Es wurde so viel Wert auf Authensität und Lebendigkeit, aber auch auf den richtigen Umgang mit den Thematiken, gelegt. Es wurde ausführlich ausgearbeitet und der Abschnitt danach fing diesen Schockmoment dann auch wieder auf. Trotzdem. Es war eine absolute Gratwanderung und echt hart an der Grenze des Erträglichen. Für mich ein rund herum stimmiges Ende, das perfekt zur restlichen Handlung passte und endlich mal nicht nur Friede, Freude, Eierkuchen zurücklässt – sondern intensiv im Leser nachklingt. Die Charaktere bereiteten mir im ersten Moment etwas Schwierigkeiten. Genau so wie die Handlung an sich, sind auch die beteiligten Personen besonders. Angefangen mit Azalee. Sie ist eine durch und durch zerstörte Persönlichkeit, bei der man sich oftmals fragt, wie sie überhaupt noch funktionieren kann. Ihre schwere Vergangenheit hat ganz deutliche Spuren hinterlassen und Morgane Moncomble hat es meisterhaft geschafft, diese Spuren einzufangen. Obwohl Azalee mit ihrem Benehmen oft aneckte und auch bei mir nicht immer auf Verständnis stoßen konnte, überzeugt sie durch Insteressantheit. Mit ihr wurde es nie langweilig und ihr provozierendes Mundwerk sorgt nicht nur für Abwechslung, sondern auch für den ein oder anderen Schock. Trotzdem hat sie ein Herz, auch wenn das erste sehr spät so richtig klar wird. Azalee ist kein schlechter Mensch; sie ist ein Mensch, der schon viel erleben musste und davon einfach gezeichnet ist. Ich bin mir sicher, dass ich mit ihr überhaupt nicht klarkommen würde im echten Leben, aber für diese Geschichte war sie die größte Bereicherung, die man sich vorstellen kann. Allein ihr Verhalten gegenüber den Angriffen auf ihre Person ist phänomenal anders, als man es erwartet und es ist so neu und erfrischend, an ihrer Seite zu sein. Doch gerade das ist einer der springenden Punkte des Buches – denn hinter ihrem Verhalten verbirgt sich so viel mehr. Und ihre Entwicklung ist so unscheinbar, aber trotzdem unverkennbar. Ich jedenfalls mochte Azalee; vielleicht nicht auf die herkömmliche Art, aber dennoch konnte ich sie tief ins Herz schließen. Eden, der männliche Part, fiel schon eher in das Schema des typischen Protagonisten; wenn auch noch komplett. Aber er war von vorn herein sympathisch, gab nichts auf das, was andere sagten, sondern bildete sich sein eigenes Urteil und war darüber hinaus auch noch unheimlich attraktiv. Seine ganze Ausstrahlung nahm mich einfach direkt gefangen und von Kapitel zu Kapitel gewann er mich mehr für sich. Er hatte Humor, war verantwortungsbewusst, reif und erwachsen und auf ganzer Linie ein wundervoller Mensch. Doch auch hinter Eden steckt mehr, so viel mehr; und auch seine Vergangenheit war nicht wirklich einfach. Kein Wunder also, dass diese Sache zwischen ihm und Azalee so gut harmonierte – obwohl es längst nicht immer nur rosige Zeiten bei den beiden gab. Das ist es wohl auch, was am Ende überzeugt: die beiden sind sich, ohne Frage, ähnlich. Aber sie sind in gewisser Weise auch grundverschieden und so entsteht einerseits ordentlich Romance-Flair, aber andererseits auch mächtig Zündstoff. Die Chemie war also schlicht gegeben und gerade weil es so viele Höhen UND Tiefen gab, war es abwechslungsreich und stets interessant, die beiden zu begleiten. Die Randfiguren hatten jedoch, aufgrund etlicher Faktoren, einen enorm schweren Stand bei mir. Zum Glück ist das bewusst so gewählt von der Autorin; aber was mich diese Menschen zum Teil an Nerven kosteten, lässt sich kaum in Worte packen. Aber wie gesagt, das war volle Absicht von Morgane Moncomble und deshalb umso gelungener. Der Schreibstil von der Autorin ist ebenfalls sehr positiv hervorzuheben. Sie schreibt sehr emotional, sehr berührend und durchweg greifbar. Nicht nur, dass ich enorm mitfieberte und mitlitt, auch hatte ich stets das Gefühl, ein Teil der Geschichte zu sein. Bildhafte Beschreibungen sind geschickt platziert, ohne dass sich Morgane Moncomble irgendwie darin verloren hat. Mit ihren Worten erzeugt sie eine so dichte, einnehmende Atmosphäre, dass man sich komplett darin verliert. Auch diese Schwere ist wunderbar gelungen und auch wenn man davon stellenweise erdrückt werden kann, ist es nur umso gefühlvoller und authentischer. Zu sagen „ich fühlte mich wohl“ ist wohl der falsche Ausdruck in Anbetracht der Thematik, aber irgendwie passt diese Aussage ganz gut. Besonders lobenswert empfand ich aber, wie sie diese niederschmetternden, kaum auszuhaltenden Bereiche ausgearbeitet hat. Sie legte wert darauf, hinter jedes Thema eine Message zu hängen. Sie zeigt auf, was falsch ist und was dann zu tun ist und sie nimmt nichts, wirklich nichts, wovon sie schreibt, auf die leichte Schulter. Sie geht verantwortungsvoll damit um und dafür gebührt ihr der größte Respekt. Grandios gemacht! Und zu guterletzt auch noch ein paar Silben zu den Sprechern, die definitiv erwähnt werden müssen. Lisa Stark und Benedikt Hahn machen hier einen phänomenalen Job. Nicht nur, dass ihre Stimmlagen perfekt harmonieren, auch passen die beiden jeweils ganz wunderbar zu den Protagonisten. Sie hauchen Azalee und Eden noch einmal eine ganz intensive Wärme und Lebendigkeit ein. Außerdem konnte ich sowohl Lisa Stark als auch Benedikt Hahn wirklich gut folgen und hörte beiden gleichermaßen gerne zu; sodass die beiden jetzt schlussendlich das Sahnehäubchen der Geschichte darstellten. FAZIT: „Bad at love“ von Morgane Moncomble ist eine wirklich schwere, kaum zu ertragende Geschichte. Mit den behandelten Thematiken sticht die Autorin in ein regelrechtes Wespennest und riskiert einiges. Doch gerade weil sie den Mut aufbringt, diese Angelegenheiten zu Papier zu bringen, beweist sie gleichzeitig auch, dass sie verantwortungsbewusst und sensibel damit umgehen kann. Zwei durch und durch interessante Charaktere, deren Leben sich auf so tragische Weise ähneln, rundeten für mich das Ganze schließlich ab. Und ebenso positiv lässt sich der Stil sowie die Sprecher und die Tatsache, dass die Autorin so einen gelungenen Mix aus Last und Hoffnung geschrieben hat, hervorheben. Großes Kino und eine absolute Leseempfehlung [unter Vorbehalt! Die Triggerwarnung ist definitiv angebracht und sollte nicht auf die leichte Schulter genommen werden!] Für mich ein Highlight durch und durch.