papierfliegerin
» 4.5 von 5 Sternen « [vorweg, um die Rezension gänzlich zu verstehen, ist es mir wichtig kurz zu erklären, dass ich relativ schnell vom Print-Buch aufs Hörbuch umgestiegen bin.] Schon der Einstieg in die Geschichte gelang mir um so vieles besser, als es beim Lesen der Fall war. Eva Mattes beherrscht es nahezu meisterhaft, einem die Begebenheiten und Geschehnisse nahe zu bringen. Durch die unterschiedlichen Tonlagen, lassen sich auch die Figuren sehr gut voneinander trennen und es macht einfach unheimlichen Spaß, ihr zuzuhören. Frau Mattes bringt sowohl die turbulenten, wie auch die ruhigen Szenen sehr glaubhaft und lebendig rüber und transportiert die Emotionen der Figuren äußerst einnehmend. Obwohl der Roman bereits im Jahre 1813 spielt, hatte ich keinerlei Verständnisprobleme. Selbst die Stimmfarbe der Sprecherin schien perfekt zur damaligen Zeit zu passen. Alles in allem einfach top umgesetzt und gewählt. Der Schreibstil von Jane Austen wird sich wohl im Laufe der Zeit in gewisser Weise verfälscht haben, denn es gibt inzwischen unzählige Übersetzungen und ich wage es nicht, darüber zu urteilen. Lesetechnisch war mir der Schreibstil zu schwer und zu anspruchsvoll. Ich kam unheimlich langsam voran und wollte nicht so recht in das Buch reinkommen. Auch die Dialoge gingen mir zu schwer von der Hand, sodass ich mich letztlich dazu entschied, zum Hörbuch zu greifen – und als Hörbuch funktionierte es, wie schon gesagt, um so vieles besser. Fakt ist, dass es sehr authentisch wirkt, wie das alles erzählt wurde und dass Wort wie Sprache extrem gut getroffen wurde. So behielt die Geschichte ihren charakteristischen Charme und war alles in allem noch einmal ein riesiger Pluspunkt für die Geschichte. Die Hauptfiguren sind, wie nicht anders zu erwarten, sehr ungewöhnlich und gewöhnungsbedürftig – einfach weil die Leute im Jahre 1813 noch andere Prioritäten und Ansichten bereithielten. Doch das allein schon machte einen jeden für sich unheimlich interessant für mich. Elizabeth, die die Hauptrolle innehatte, war ein sehr quirrliges junges Fräulein, im besten Alter, und definitiv nicht auf den Mund gefallen. Ihre Ausdrucksweise beeindruckte mich in beinah jedem Moment, in dem sie den Mund öffnete und ihre bedingungslose Loyalität ihrer großen Schwester Jane gegenüber war bemerkenswert und liebenswürdig. Ganz allgemein hat sich Elizabeth sehr schnell einen Platz in meinem Herz erkämpft und erhielt bald schon jede Menge Anerkennung und Stolz von mir. Sie ließ sich, entgegen der Hoffnung ihrer Eltern, nichts gefallen und wehrte sich verbal auf einem Niveau, das beinah sprachlos machte. Die Tatsache, dass sie auch Fehler eingestehen konnte, sprach ebenso für sie. Dazu war sie klug, schlagfertig und einfach eine ganz wundervolle Erscheinung, mit der man gern mitfiebert und mitfühlt. Jane, besagte große Schwester, war dagegen ein eher durchschnittlicher Charakter, wenn auch nicht weniger geistreich als Lizzy. Jane hat eben ein viel zu großes Herz, sah stets nur das Gute in jedem Menschen und fiel damit nicht nur einmal ein wenig auf die Nase. Trotzdem gönnt man auch ihr ihr Glück von ganzem Herzen und sie ist, ebenso wie alle anderen, eine totale Bereicherung für die Handlung. Mr. Darcy – der Herzensmann (wie man heute sagen würde: der Love-Interest). Sein Auftreten, seine kühle Ausstrahlung, sein Hochmut und seine Arroganz machten ihn nicht nur unnahbar, sondern auch undurchsichtig und geheimnisvoll. Jane Austen hat es exzellent geschafft, diesem Mann etliche Facetten zu verleihen, ohne dass der Leser jemals auch nur annähernd sicher sein konnte, was dieser Kerl im Schilde führte. Mir persönlich gefiel die Darstellung seiner Person ungemein gut, und ich konnte mich irgendwann nicht mehr dagegen wehren, dass ich ihn immer mehr mochte. Verbarg sich hinter dem störrischen, schweigsamen Mann etwa ein großes Herz? Alle anderen Beteiligten überzeugten genau so sehr. Da waren zum Beispiel Elizabeth’s und Jane’s Eltern und ihre drei Schwestern – alle grundverschieden, aber alle auch extrem authentisch und für jede Menge Zündstoff verantwortlich. Mrs. Bennet zum Beispiel trieb einen regelmäßig in den Wahnsinn, weil ihre Geldgier und ihre Habsucht solche Ausmaße annahm, dass einem beinah schlecht wurde. Aber eben solche Figuren braucht es genau so sehr wie die liebenswürdigen Charaktere. So bleibt die Abwechslung gegeben und es wird niemals langweilig. Die Handlung in „Stolz und Vorurteil“ ist weder besonders rasant noch nennenswert plotreich; und trotzdem vermochte sie es mich komplett zu fesseln. Die Geschichte verläuft gemäßigt, ohne dass großartiges Tempo aufkam; doch genau so wenig trifft man auf Langeweile. Von der ersten Sekunde an war ich komplett in die Anfänge des 19. Jahrhunderts versunken und konnte mich von Emotionen, interessanten Aspekten und den allgemein dort vorherrschenden Begebenheiten mitreißen lassen. Die ersten paar Seiten ziehen sich zwar etwas, da man sehr viel Zeit bekommt, um in die Geschichte eingeführt zu werden; doch kaum ist dieses kleine Hindernis überwunden, wird es spannend. Niemals hätte ich damit gerechnet, dass mich ein Klassiker so sehr fesseln kann. Ich war binnen kürzester Zeit durch und hab in jeder freien Minute zum Hörbuch gegriffen. Etwas, was nur äußerst selten vorkommt. Falsche Spielchen, Hinterlistigkeit, Geldgier und Streit sind hier eben so vertreten wie Liebe, Glück, Loyalität und Herzlichkeit. Mir gefiel besonders, wie sie Settings innerhalb des Romans gewechselt haben und die Wege der verschiedenen Familien und Personen sich immer mehr gekreuzt haben. Außerdem wurde weder mit Wendungen und Überraschungen gegeizt, sodass alles sehr undurchsichtig blieb und niemals vorhersehbar wurde. Vieles, was geschah, war nur auf den ersten Blick durchschaubar, erstrahlte aber im weiteren Verlauf immer wieder in einem anderen Licht und am Ende war man sich als Leser oft unsicher, ob es nun dabei bleibt, oder ob sich alles noch einmal dreht und wendet. Die Liebesgeschichte verläuft sehr ruhig und gediegen, keineswegs überstürzt und die Protagonisten sehen sich immer neuen Problemen gegenüber, um zueinander zu finden. Die ganze Sache zwischen Elizabeth und Mr. Darcy ist absolut glaubhaft, lebendig und nachvollziehbar; immerzu spannend und niemals abgedroschen. Alles in allem steht und fällt Jane Austen’s Werk aber sicher durch die Zeit, in der es spielt. Allein die Dialoge, Umgangsformen und die zum Teil fast schockierenden Ansichten mancher spielen dem Buch etliche – ja unzählige – Pluspunkte ein! Kurz um: ich verstehe inzwischen nur zu gut, wieso Elizabeth und Mr. Darcy zu den größten Liebesgeschichten der Weltliteratur zählen und ich unterschreibe das zu 100%. Das Ende überzeugt durch einige interessante Vorkommnisse und durch große Emotionen und einfach mit einem gewissen Wohlfühl-Charakter. FAZIT: „Stolz und Vorurteil“ von Jane Austen ist ein durch und durch interessantes, spannendes und packendes Lebeerlebnis, das einfach Spaß macht. Ich dachte, es wäre schwer einen Klassiker zu lesen, weil die Sprache oft altertümlich und sehr gestelzt wirkt; doch als Hörbuch hatte ich damit überhaupt keine Probleme und ich bin selbst heute noch in Gedanken bei Elizabeth und Mr. Darcy. Was für ein großartiges Werk! Wer gern mal in 19. Jahrhundert reisen und die einzigartige Geschichte von zwei sehr interessanten, vielschichtigen Charakteren kennenlernen möchte, der wird Stolz und Vorurteil definitiv lieben! Ich jedenfalls brauche mehr von Jane Austen!