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Buchdoktor

Posted on 1.12.2020

Shirins Eltern sind aus dem Iran in die USA ausgewandert und sehr ehrgeizig. Um ein besseres Haus und eine bessere Schule für ihre Kinder zu finden, sind sie zahlreiche Male umgezogen. Shirin will nun einfach nicht mehr. Als an ihrer x-ten neuen Schule der Englischlehrer vorträgt, dass sie (als Schülerin im Hidschab) für ihr Niveau bei ihm den falschen Kurs gewählt hätte, reicht es der 16-Jährigen. Unmittelbar nach den Anschlägen vom 11.9.2001 ist Shirin bereits öffentlich gemobbt, verspottet und gequält worden. Sie sieht einfach nicht ein, warum in ihrem Leben alles so viel komplizierter sein muss als für ihren älteren Bruder, der als cooler, exotischer Typ von den Mitschülerinnen bewundert wird. Ihre Mutter würde ihr höchstens antworten, dass Shirin sich nicht so anstellen soll und gefälligst etwas dankbarer den Eltern gegenüber sein. Als ihr Bruder Navid mit zwei Freunden eine Break-Dance-Gruppe gründet und sie sogar als Schul-AG anerkannt bekommt, ist Shirin mit Feuereifer dabei. Gemeinsam mit Navid hat sie immerhin ein paar mehr Freiheiten, als wenn sie allein unterwegs wäre. Ob es ein Vorteil ist, wenn sie statt von einem Bruder nun in jeder Minute von drei muslimischen Jungs beobachtet wird, muss sich noch zeigen. Als sich Shirins Mitschüler Ocean für sie interessiert, stehen sich zwei Meister der Killerphrasen gegenüber. Shirin verbeißt sich in der Vorstellung, in ein unscheinbares, nüchternes Mädchen wie sie würde sich sowieso niemand verlieben. Ocean ist überzeugt davon, dass ein Mädchen mit Kopftuch niemals eine Beziehung zu einem Jungen haben darf. Da Shirins Eltern jedoch munter zwischen wertkonservativen Anschauungen und Laissez-Faire-Stil schillern, kommt es zu einigen Missverständnissen zwischen dem verhinderten Liebespaar. Beide halten an ihren festgefügten Vorstellungen fest, wie der jeweils andere mit Sicherheit sein wird. Einerseits kann Shirin ihrem Lehrer resolut die Meinung geigen, andererseits huscht sie beinahe unsichtbar durch ihr Leben. Als wäre das nicht kompliziert genug, müssen sie und Ocean erkennen, dass nach dem Terroranschlag ein weißes Sport-Idol und eine muslimische Schülerin mit Kopftuch in ihrer Stadt nicht öffentlich Händchen halten dürfen. Tahereh Mafi schreibt angelehnt an eigene Erlebnisse im Jahr 2001 und trifft damit mitten ins Herz ihrer Leser und Leserinnen. Eine eloquente Protagonistin, die sich wie ein Seeigel panzert, glaubwürdige männliche Figuren und ein Elternpaar, das nicht in eine Schublade zu stecken ist, ergeben ein für Leser aller Altersgruppen berührendes Buch.

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