Buchdoktor
„We should all be Feminists” – so lautete Chimamanda Ngozi Adichies bekanntes Impulsreferat (Hochgeladen auf TEDxEuston am 12. 4. 2013). Sie berichtet darin vom vorwurfsvollen Einwurf eines Jugendfreundes als sie selbst 14 Jahre alt war, sie sei wohl Feministin – und dieser Einwurf klang, als wäre ihre Haltung illegal. Später folgte die Kritik an der Autorin, ihr Roman „Blauer Hibiskus“ sei feministisch, dieses Mal mit dem Unterton, Nigerianerinnen dürften keine Romane schreiben, in denen männliche Figuren schlecht wegkommen, noch später, Feminismus sei unafrikanisch. Adichies Schreiben und Wirken lässt sich perfekt mit der Definition umfassen, dass sie Dinge flink wahrnimmt und scharfzüngig formuliert, die für sie offensichtlich sind, die anderen dennoch ausführlich erklärt werden müssen, weil sie sie nicht wahrnehmen können oder wollen. Dieser Text endet mit der treffenden Frage, welche Art von Söhnen afrikanische Frauen erziehen und welche Geschlechterrollen sie damit an die nächste Generation weitergeben. Vier Erzählungen, von denen drei bisher unveröffentlicht waren, befassen sich - natürlich - mit der Rolle afrikanischer Frauen. Eine elfjährige Ich-Erzählerin stellt die widersprüchlichen Signale ihrer geliebten Tante fest, die (selbst erfolgreiche Ärztin) darauf dringt, die begabte Nichte solle unbedingt für ihre finanzielle Unabhängigkeit sorgen, die Tante selbst definiert sich zuhause jedoch über die klassische Hausfrauenrolle. Eine junge Studentin muss bei einer Reise nach London feststellen, dass in England - fern von der Kontrolle des Familienclans - die Klassenschranken zwischen Nigerianern zwar aufgehoben zu sein scheinen, nicht jedoch die speziellen Grenzen zwischen afrikanischen Männern und afrikanischen Frauen. Der einzige männliche Erzähler beschreibt das Verhältnis zum Hausboy der Familie, der eine Zeit lang sein bester Freund ist, bis er selbst die Beziehung durch eine Lüge zerstört. Die Erzählerin der letzten Geschichte erlebt in den USA eine umgekehrte Assimilation als ihre Freundin sich den Höflichkeitsnormen der nigerianischen Mutter des Mädchens anpasst. Sie selbst muss sich mit unverändert traditionellen Keuschheitsvorstellungen ihrer Mutter abfinden - die sich von amerikanischen Normen in der Grausamkeit der Konsequenzen unterscheiden. Adichies Erzählungen nehmen sehr direkt die mehrfache Diskriminierung afrikanischer Frauen aufs Korn, als Töchter traditionsbewusster Mütter, die auch im westlichen Ausland ihre Töchter zwingen, sich als Frauen vorauseilend klein zu machen.