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morningside

Posted on 24.11.2020

Emmeline Lake hat den Traum, Reporterin zu werden. Am besten Kriegsberichterstatterin, denn sie lebt 1942 in London, das regelmäßig von der deutschen Wehrmacht bombardiert wird. Also bewirbt sie sich bei einem renommierten Zeitungsverlag und bekommt auch die Stelle, die allerdings so ganz anders ist, als sie sich erträumt hatte. Genau genommen arbeitet sie als Schreibkraft für die Redaktion der Woman's Friend, einem auflagenschwachen Frauen-Blättchen, das nach altem Muster seit Jahren erscheint und kurz vor der Einstellung steht. Zu ihren Aufgaben gehört das Öffnen und Vorsortieren der Leserbriefe, in denen ratsuchende, meist junge Frauen sich an die Kummerkasten-Tante Mrs. Bird wenden. Leider hat diese äußerst strenge Kriterien für diese Briefe, mit denen sie sich überhaupt befassen will. Alles, was ihrer Meinung nach zu anstößig oder verweichlicht ist, soll mit einer Schere zerschnitten werden und in den Papierkorb wandern. Emmy jedoch liest diese Briefe und kann sie nicht guten Gewissens unbeantwortet lassen, sodass sie beginnt, den Absenderinnen heimlich Antworten zu schreiben - unterzeichnet mit Mrs. Bird... Das liest sich auf den ersten Blick nur amüsant und amüsant ist der Roman größtenteils auch tatsächlich. Genauer betrachtet geht es jedoch gar nicht hauptsächlich um diese Briefe, sondern um das Leben und die Schicksalsschläge einer ganzen Generation junger Frauen im vom Krieg gebeutelten England. Man erlebt Bombenangriffe mit - Emmy arbeitet nach Feierabend bei der Feuerwache als Telefonistin, die während Bombenangriffen Schadensmeldungen entgegen nehmen und die Einsatzfahrzeuge auf den Weg bringen. Man ist erstaunt, wie die Menschen trotz dieser fürchterlichen zermürbenden Angriffe trotzdem wie gewohnt funktionieren und wie sie sich bemühen, ein ordentliches wie auch optimistisches Leben aufrecht zu erhalten. Heute kann man sich kaum in ein solches Leben hinein versetzen; Pearce gelingt das hervorragend und vermittelt es auch glänzend! Die Story ist aus Sicht von Emmy geschrieben und ausgesprochen launig in ihren Gedanken, ganz so, wie vielleicht tatsächlich eine etwas kecke junge Frau gedacht haben mag. Denn auch bei diesen Gedankengängen bleibt sie der geschilderten Zeit treu und vermittelt nicht den Eindruck, als hätte Emmi einen Zeitsprung von 70 Jahren hinter sich, mit all unserem modernen Gedankengut. Das macht für mich die Story absolut glaubwürdig und rund. Angenehmerweise kommt die Story ohne viel Romantik aus und lässt sie nur am Rande mitspielen. Wesentlich schärfer wird der Fokus auf Familie und Freundschaft gerichtet. Dieses Buch macht Spaß aber durchaus auch nachdenklich. In lockerem, leichtem Ton geschrieben liest es sich wie Butter. Gute Unterhaltung für Lesende, die mehr als seichte Unterhaltung suchen.

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