bookish.yvonne
Die meisten kennen das Buch “Love, Simon” (Original: “Simon vs. the Homo Sapiens Agenda”) von Becky Albertalli oder haben sogar schon den Film gesehen. Schließlich hat das Buch 2017 den Deutschen Jugendliteraturpreis gewonnen! Und das zu Recht! Ich hab beim Lesen sowohl gelacht, als auch geweint, bin geschmolzen, weil es so viele süße Szenen gab, bin aber auch wütend geworden und wäre am liebsten ins Buch hineingesprungen, um einigen meine Meinung zu geigen. Letztendlich ist es ein wunderschönes Buch mit einer tollen Message. [TW: Homophobie, Mobbing] 4,5/5 Das Buch ist ein Entwicklungsroman und handelt von dem 16-jährigen Simon, der versucht herauszufinden, wer er ist und was er will. Nachdem Simon auf Tumblr einen Post von “Blue” gesehen hat, nimmt er mit ihm Kontakt auf und sie schreiben einander Mails, wobei Simon sich als “Jacques” vorstellt, um die Anonymität zu wahren. Denn seltsamerweise ist es für ihn einfacher mit einer fremden Person über seine Geheimnisse zu sprechen als mit seinen besten Freund*innen. Nur sie wissen voneinander, dass sie schwul sind. Bis Simon einmal vergaß sich aus dem Schulcomputer auszuloggen und Martin die Mails las. Und plötzlich wurde alles kompliziert. Anfangs hatte es mich gestört, dass sehr viele Sätze mit “ich” beginnen, aber der Schreibstil passt zu einem Jugendbuch und nach einer Weile habe ich mich daran gewöhnt. Es ist so geschrieben, wie wenn Simon direkt zu einem sprechen würde. Direkt am Anfang war ich so sauer auf Martin. Denn das Buch beginnt damit, dass Martin Simon mit den E-Mails erpresst. Wenn mir ein*e Freund*in das erzählt hätte, hätte ich sofort gesagt, dass jeglicher Kontakt zu Martin gekappt werden sollte. So einfach ist das aber nicht und trotz der Erpressung fand ich ihn immer wieder sympathisch. Martin zeigt ziemlich gut, dass ein Mensch nicht so einfach in “gut” und “böse” einzuteilen ist. Generell strotzt das Buch (im Vergleich zu anderen Büchern) vor Diversität, ohne dass ich das Gefühlt hatte, dass die Charaktere lediglich aufgrund von Diversität diese Eigenschaften zugesprochen bekommen haben. PoC kommen darin vor, die Segregation in Atlanta wurde kurz angesprochen und auch Bisexualität wird erwähnt. Es gibt auch Gesellschaftskritik, was mir persönlich sehr gut gefällt. Bspw. wird das Coming Out als Konzept kritisiert, denn wieso haben Heterosexuelle nicht auch ein Coming Out? Auch die Benutzung von Beleidigungen innerhalb des Freundeskreises, die eigentlich sexistisch sind. Ist es ok eine Freundin spaßeshalber “Bitch” zu nennen? Obwohl man alles aus Simons Sicht miterlebt, lernt man die anderen Charaktere gut kennen.Besonders stolz bin ich auf Simons Charakterentwicklung und ich würde ihn am liebsten ganz doll drücken. Weshalb ich aber nicht die vollen 5 Sterne vergebe: Simon wirkt sehr “woke”, deshalb fand ich es sehr schade, dass er denkt, dass Lesben und bi Mädchen es einfacher haben, weil Jungs das heiß finden. Direkt im Anschluss fügt er hinzu, dass es ja auch Mädchen gibt, die schwule Jungs heiß finden. Allerdings ist das ziemlich problematisch, denn dadurch werden die fetischisiert. Natürlich kann Simon nicht perfekt sein und es denken bestimmt viele Menschen so, aber ein paar Sätze mehr, die erklärt hätten, dass diese Denkweise problematisch ist, hätte ich schön gefunden. Dann bin ich über zwei weitere Dinge gestolpert. Einmal über das Wort “black”, denn das Wort sollte eigentlich großgeschrieben werden, sodass es eindeutig ist, dass von einer Menschengruppe die Rede ist. Dann schrieb Simon in der Mail “your people”, nachdem Blue ihm offenbart hatte, dass er jüdische Traditionen feiert. Im Deutschen wurde das glücklicherweise nicht mit “deine Landsleute” oder so übersetzt, sondern einfach mit “ihr”. (“Ich muss sagen, ihr seid phonetisch sehr kreativ”/”And your people are very creative, phonetically speaking.”) Ich persönlich reagiere da immer sehr allergisch darauf. Das sind für mich aber nur Kleinigkeiten, weshalb ich einen halben Stern abgezogen habe. Denn das schönste, was das Buch mir mitgegeben hat, ist folgendes: “White shouldn’t be the default any more than straight should be the default. There shouldn’t even be a default.” / “Weiß sollte nicht die Norm sein, genauso wenig wie hetero. Es sollte überhaupt keine Norm geben.”