Wedma
Diesen Roman von Pierre Lemaitre habe ich ganz gern gelesen. Ich mag seine Art, seinen charmanten, gekonnten, ironischen, mit einem Hauch von Leichtigkeit geküssten Schreibstil. „Spiegel unseres Schmerzes“ fällt aber nicht so stark aus wie die „Die Farben des Feuers“, dennoch durchaus lesenswert. Ein starker Anfang, die Geschichte um Louise erschien schon recht skurril, dennoch riss sie mich sofort mit. Es blieb keine andere Wahl: Nichts wie weiterlesen. Aber nach dem furiosen Anfang ließ die Spannung nach. Es gab einige Längen. Die Sprünge in der Handlung von Louise zu den Geschehnissen an der Front warfen Fragen auf, denn lange verstand ich nicht, was das eine mit dem anderen zu tun hatte, und warum das alles erzählt wurde Dennoch gab es hier so einiges, was so aktuell klingt: die Ströme von Flüchtlingen aus Paris 1940 und all die „Annehmlichkeiten“ in diesem Zusammenhang. Eine knackige wie bildhafte Beschreibung, wie Propaganda funktioniert, damals wie heute, kam noch dazu. Erst ab der Hälfte ließen sich die Puzzleteile so langsam einordnen, und ein größeres Gemälde kam zum Vorschein. Im kleineren, privaten Rahmen zeichnete sich eine Geschichte ab, die einen erstmal sprachlos ließ. Im Großen und Ganzen ist dieses Werk auch ein starkes Plädoyer gegen den Krieg, denn seine hässlichen Seiten werden plastisch vor Augen geführt: Das Kopfkino, so lebendig und zum Greifen nah, als ob man selbst dabei wäre. Da läuft man mit Louise und drei kleinen Kindern über das Feld zum nächstgelegenen Wald, um dem Bombardement der deutschen Wehrmacht zu entkommen. Man ist den Herausforderungen ausgeliefert, denen eine junge Frau in dieser Situation gegenübersteht, uvm. Aber auch für Romantik wurde hier reichlich gesorgt, in der zweiten Hälfte. Allerdings ist es eben kein Wohlfühlroman, trotz dem, dass das Ende doch optimistisch ausfällt. Ich komme nicht drumherum, diesen Schreibstil nochmals zu loben. So kann man mir alles Mögliche und Unmögliche erzählen. So lässig gekonnt, voller Menschenkenntnis, messerscharfer Beobachtungen, so klug, ja weise, mit feiner Ironie und das Ganze mit bemerkenswerter Leichtigkeit. Herrlich. Insgesamt fand ich den Roman etwas weniger gewitzt als „Die Farben des Feuers“, was aber auch dem nicht so ganz einfachen Thema geschuldet ist. „Spiegel unseres Schmerzes“ ist aber auch etwas weniger komplex in der Handlung und Figurenaufbau. Dennoch ist es ein sehr lesenswerter Roman, den ich gern weiterempfehle.