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Bibliaphilia

Posted on 16.11.2020

Mit „Rauer Glanz“ erwartet den Leser eine Fantasywelt mit frühneuzeitlichen Schauplätzen, Strukturen und Spannungen, die mit viel Einfallsreichtum ganz ohne Magie auskommt. Der Einstieg mir durch Vinachias wortgewandten, abwechslungsreichen und flüssigen Schreibstil sehr leichtgefallen. Ich hatte sofort das Gefühl, von ihr abgeholt zu werden, auch wenn ich lange nicht einschätzen konnte, in welche Richtung sich die Handlung entwickeln wird. Der offene Einstieg und die ausführlichen Charaktereinführungen haben meine Neugier auf die beiden sehr verschiedenen Reiche Ronland und Matrienna aber nur gesteigert. „Rauer Glanz“ lebt nämlich gerade von seinen interessanten und authentischen Hauptcharakteren, die sich nicht klar in schwarz oder weiß einteilen lassen. Als Leser bekommt man einen sehr tiefen Einblick in ihr Innenleben, denn mit den Perspektiven ändert sich auch merklich der Schreibstil. Je nach Charakter rücken andere Dinge in den Fokus der Wahrnehmung und der sprachliche Ausdruck unterscheidet sich. Zum einen gibt es die drei jungen Herrscherpersönlichkeiten Gerard, Moran und Varlow, zwischen denen die Perspektive wechselt. Gemeinsam haben die drei, dass sie ein Erbe antreten, an das viele Erwartungen geknüpft sind. Ihr Umgang mit der Verantwortung unterscheitet sich aber grundlegend. Wo der unberechenbare König Moran, seine Macht aus vollen Zügen auslebt, verfolgt die junge Konsulin Varlow große, idealistische Ziele. Die Handlungsstränge laufen aber erst durch ein finanzielles Problem Maulions zusammen, durch welches sein ohnehin schon von Selbstzweifeln geplagte Landesherr Gerard schon bald in den Fokus der Interessen Ronlands und Matriennas gerät. Zum anderen wird diese ohnehin schon konfliktreiche Dreierkonstellation mit den Hauptcharakteren Ris, Albert und Phoebe um die Perspektive der Unterschicht ergänzt. Das finde ich besonders spannend, da es gerade die allgemeine Bevölkerung ist, die von den Entscheidungen der Herrscher am ehesten betroffen ist. Ihre Kapitel lenken den Blick einerseits auf die Schattenseiten der frühneuzeitlichen Gesellschaft, andererseits machen sie aber auch sensibel für gesellschaftliche Probleme, die auch heute noch brisant sind. Die Konflikte der Charaktere spitzen sich fortwährend zu, ihre Handlungsstränge verstricken sich immer mehr und am Ende läuft es auf einen spannungs- und actiongeladenen Höhepunkt hinaus, der so viele Fragen mit sich bringt, dass ich Band zwei kaum erwarten kann. Ein weiterer Grund sich auf den Folgeband zu freuen, sind einige Nebencharaktere, die ebenfalls gut ausgearbeitet sind, sich bisher allerdings noch nicht durchschauen lassen.

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