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stricki

Posted on 15.11.2020

Hysterie und Hypnose Die Salpetrière in Paris ist heute noch ein angesehendes Krankenhaus. Vor über 150 Jahren war es die bekannteste psychiatrische Anstalt Europas mit bis zu 8000 Frauen und Geisteskranken. Den hier beschriebenen Ball gab es wirklich, ebenso die inszenierten Vorführungen. Unvorstellbar. Victoria Mas entführt uns in diese Welt und beschreibt die Klinik aus Sicht der eingesperrten Frauen, die aus allen Gesellschaftsschichten stammen, und aus Sicht des Personals in Gestalt der strengen Geneviève, die als Oberaufseherin die Strippen zieht. Die Salpetrière bekommt einen Neuzugang: Eugénie. Diese hat die Gabe, Verstorbene zu sehen und zu hören. Für ihre Familie ganz klar ein Fall für die Salpetrière, schnell weg mit dem peinlichen Familienmitglied. Niemals war es so einfach, widerspenstige Frauen loszuwerden. Erschreckend. Eugénie kämpft und verzweifelt fast, bekommt erst im letzten Moment Hilfe von Geneviève und ihrem Bruder, der seine Tat bereut, die Schwester so herzlos abgeschoben zu haben. Victoria Mas entwirft ein lebendiges Bild des Paris des 19. Jahrhunderts, man befindet sich als Leserin mittendrin, im Schlafsaal der Hysterikerinnen, die sich die Kleider für den absurden Ball aussuchen und wo jede der Liebling des berühmten Arztes Charcot sein möchte. Den es tatsächlich gab und der kurz vor seinem Tod eingestand, dass er einem Irrglauben aufgesessen ist. Wie viele echte Frauen wohl unter seinen fragwürdigen Methoden gelitten haben?! Eungénie als parapsychologisches Medium passt perfekt in die Welt der Nervenheilanstalt. Sie spaltet die Geister, sie ist jung, intelligent, unangepasst. Aber alleine hat sie keine Chance, diesem Apparat etwas entgegen zu setzen. Auch die Geschichte der jungen Louise ist sehr berührend und garantiert keine Seltenheit gewesen. Oder die der alten Hure Thérèse. Meine Kritik am Buch: Es ist zu kurz. Ich hätte gern noch viel mehr darüber gelesen, mir sind die Frauen sehr ans Herz gewachsen.

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