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seeker7

Posted on 14.11.2020

Ja, der Name ESCHBACH zieht immer noch bei mir; daher habe ich mich - mit leichtem Bedenken (wegen der Enttäuschung über Quest) - diesem jüngsten Mammutwerk von fast 1300 Seiten zugewandt (als Hörbuch, Dauer 44 Std.). Ich habe letztlich durchgehalten und kann deshalb hier über das ganze Buch schreiben. Wir haben es mit einer Mischung zwischen einer Fantasy-Story und einem Science-Fiktion-Roman zu tun. Der Kern des Plots beruht darauf, dass eine technologisch weit entwickelte Gesellschaft von "Ahnen" die Basis für die spezielle Welt geschaffen hat, die Schauplatz dieses monumentalen Romans ist. Dieser Planet beheimatet die (tatsächlich auf Riesen-Bäumen lebende) Flügel-Menschen, mit deren Alltagsleben und schicksalhaften Wendungen der Leser/Hörer eine nicht unbeträchtliche Zeit seines Lebens verbringen kann - wenn er sich denn auf dieses Buch einlässt. Angeboten bekommt man eine komplette Alternativwelt, die in allen erdenklichen Feinheiten beschrieben und ausgeschmückt wird. Der Autor scheut tatsächlich keine Mühen, einen Kosmos zu entwerfen, in dem auf der einen Seite so ziemlich alles anders ist (Pflanzen, Tiere, Klima, Technologie) - wo es aber andererseits in sozialen und emotionalen Bereichen meist menschlich, allzu menschlich, zugeht. Es geht also - kurz gesagt - um die bekannten Ur- und Standardthemen wie Liebe, Loyalität, Konkurrenz, Heldentum, Familientraditionen, usw. Konkret werden ein knappes Dutzend von Hauptfiguren für eine Reihe von Jahren begleitet. Da sich diese Protagonisten in verschiedenen Bereichen dieses Planeten (fliegend) bewegen und dort in unterschiedliche Konstellationen und Herausforderungen verwickelt sind, entsteht nach und nach ein Netzwerk von Handlungssträngen, die Raum für etliche Nebengeschichten geben, aber immer wieder mal zusammenfinden. Es gibt also jede Menge Figuren und jede Menge Handlung; gibt es auch eine Botschaft? Das Meta-Thema hat - welch Wunder - einen Zeitgeist-Bezug: Ist es sinnvoll, notwendig und möglich, den Drang der Menschen nach wissenschaftlicher und technologischer Weiterentwicklung zu begrenzen - um so die allzu bekannten Risiken zu vermeiden? Wäre eine (Selbst-)Beschränkung auf die menschlichen Grundbedürfnisse die Alternative zu einer immer hektischeren, militanteren und gierigeren Welt, in der irgendwann eben doch nur noch Macht und Geld zählen? ERSCHBACH lässt diese Fragen eher im Hintergrund mitlaufen; ein pädagogischer Zeigefinger ist selten zu spüren. Die Stärke dieses Buch liegt klar auf der Hand: Es steckt eine schier unfassbare Fleißarbeit in den Details! Das fängt an mit dem Erfinden von (gefühlt) Hunderten Namen an (für Menschen, Tiere, Pflanzen, Medizin, usw.), betrifft insbesondere die Ausgestaltung der baumlastigen Flug- und Flügelwelt und reicht in die geschichtlichen Zusammenhänge auf den verschiedenen Zeitebenen. Geschaffen und ausgesponnen wird ein kleines Universum mit Mythen, Regeln, Gewohnheiten und Alltag. Viele Begrifflichkeiten werden liebevoll "übersetzt", viele Details werden fantasievoll erfunden. Vor dem Hintergrund der Fremdartigkeit zeichnen sich die menschlichen Grundthemen (s.o.) um so deutlicher ab. Die Frage, die sich stellt: Wer braucht 1300 Buchseiten über eine Alternativwelt, um sich letztlich mit Fragen zu befassen, die auch unser Leben und unseren Planeten betreffen? Nun - das Buch ist für (wohl eher jüngere) Menschen geschrieben, die gerne eintauchen in fremde Welten und fremde Lebensläufe. So ein Buch - zu schreiben und zu lesen - ist nur zu rechtfertigen, wenn es nicht vom Output her betrachtet wird, sondern das Einlassen selbst als "selbstgenügsames Schwelgen" zelebriert werden soll. So ein Buch braucht eigentlich kein Ende - denn jedes Ende nimmt dann letztlich doch den Zauber weg und führt zurück in den schnöden Alltag. Ich staune immer wieder, dass zwar viele Ideen in solche Fantasy-Science-Fiktion-Stories einfließen, dass aber so wenig davon bei den gesellschaftlichen, sozialen und psychologischen Ebenen ankommt. Irgendwann geht es dann doch um geheime Bruderschaften und um machtgeile Herrscher, die mit futuristischen Waffen das Universum unterjochen. Liegt es wirklich an den biologischen Grundstrukturen des Menschen, dass sich diese Klischees nicht überwinden lassen oder fehlt es dann an bestimmten Stellen doch an der Fähigkeit zum "ganz anders Denken"? Letztlich hat mich ESCHBACH mit diesem Roman dann doch nicht gepackt bzw. überzeugt; ich brauche eine solche Fantasy-Dröhnung einfach nicht. Vielleicht warte ich einfach mal ab, ob er sich nochmal einem anderen Genre zuwendet.

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