Bücher in meiner Hand
Tee trinken mit der Queen? Kein Ding für Marion Crawford, allerdings tat sie dies in Lilibets Kinder- und Jugendjahren, also bevor Lilibet zu Queen Elizabeth II. gekrönt wurde. Crawfie, wie Marion im Palast genannt wird, kommt als Gouvernante zur Herzogin von York um Elizabeth und Margaret zu unterrichten. Erst mal für einen Probemonat - hätte man ihr gesagt, dass sie 16 Jahre lang im Dienst der britischen Krone stehen würde, hätte Marion dies als Erste nicht geglaubt. Sie versucht den beiden Prinzessinnen das Alltagsleben normaler Bürger zu zeigen, indem sie die beiden mit anderen Kindern zusammen bringt, sie ins Kino oder ins Selbstbedienungsrestaurant mitnimmt. Trotzdem werden Crawfies Bemühungen immer wieder torpediert. Hat ihre "Operation normal", wie sie den Unterricht für Lilibet nannte, überhaupt gefruchtet? Darüber kann man nach der Lektüre von "Teatime mit Lilibet" nachdenken. Ich denke, es ist Marion teilweise trotz allem gelungen. Zu sehen zum Beispiel daran, dass alle Nachkommen der Royals seither richtige Schulen besuchten und nicht mehr ausschliesslich zu Hause unterrichtet wurden. Welchen Preis aber zahlte Crawfie dafür? Unglückliche Beziehungen, Einsamkeit und am Ende eine grosse Enttäuschung. Spannend fand ich, dass man die Charaktereigenschaften der Prinzessinnen schon von klein auf genau sah. Die pflichtbewusste Lilibet und die lebenslustige, sich immer zu kurz gekommen sein fühlende Margaret, die immer im Schatten ihre grossen Schwester stand, welche ihr viel später ihr Liebesglück nicht gönnte und ihr nicht erlaubte, ihre grosse Liebe Peter Townsend zu heiraten. Ein ganz anderes Bild als zuvor habe ich nach dem Lesen des Romans von der Queen Mom. Ich kannte von ihr aber auch nur Bilder und Berichte als sie bereits 75 und älter war und fand ihr Gin-Tick witzig. Hier aber kommt sie sehr schräg und eisern rüber in ihren Ansichten und ich dachte oft: zum Glück ist sie nur die Frau des Königs. Am besten gefiel mir aber Marions Dozentin Mrs Golspie mit ihrem Ansatz, auch der Adel brauche gute Lehrer, denn dann kann ein Umdenken statt finden. "Teatime mit Lilibet" ist ein absolut interessanter und faszinierender Bericht über die Kindheit der jetzigen Queen und ihrer Schwester. Einen Blick hinter die Palastmauern zu werfen, aus praktisch erster Hand zu erfahren was die Yorks zu Wallis Simpson dachten, was ihnen im Alltag wichtig war, was weniger, wie sie die Kriegsjahre verbrachten (z.B. wurden auch die Royals rationiert), fand ich total aufschlussreich. Beworben wird der Roman mit "die wahre Geschichte". Was davon aber alles wahr ist oder nicht, ist nicht ersichtlich. Das ergäbe sich wahrscheinlich wenn man Marion Crafwords "The litte Princesses" gelesen hätte. Ich denke, vieles ist wahr und so oder ähnlich abgelaufen, dennoch stört mich die Anpreisung mit diesem Attribut. Der Roman ist ein Muss für "The Crown" - Gucker und für alle Geschichte-Interessierte, denn er beschreibt ein eindrückliches England-Bild zwischen 1932 bis 1948, geschrieben aus einem bisher noch nie da gewesenen Blickwinkel. Fazit: Absolut lesenswerte 528 Seiten! 5 Punkte.