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Babscha

Posted on 13.11.2020

Joachim Georg Kroll, seinerzeit bezeichnet als „Menschenfresser von Duisburg“, war in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts einer der prägnantesten Serienmörder Deutschlands. 1955, gerade zwanzig Jahre alt, startete er im Großraum Duisburg eine unbeschreibliche, bestialische Mordserie an jungen Mädchen und Frauen, die bis zu seiner Festnahme in 1976 andauern sollte. 1991 verstarb er in der Haft. Der Autor Stephan Harbort, selbst bekannter Kriminologe und in der Beurteilung von Serienkillern und ihrer Psyche äußerst erfahren, stellt in seinem radikalen, dabei sehr analytisch und beklemmend aufbereiteten Buch mit der gebotenen und hier irgendwie auch erforderlichen Nüchternheit (denn nur so wird der ganze Schrecken überhaupt les- und verkraftbar) nochmal das Leben und „Wirken“ dieses unfassbaren Menschen dar. Neben der reinen Faktendarstellung überzeugt der Bericht vor allem durch die Transparenz, mittels der dem Leser tiefe Einblicke in die völlig verquere Gedankenwelt des Täters gewährt werden, eines von klein auf als Schwächling und Nichtsnutz von allen Seiten drangsalierten und verachteten grenzdebilen Mannes, der nie irgendwo Halt und Führung fand, zu Frauen demzufolge kein normales Verhältnis entwickeln konnte, im Laufe seiner Jugend psychisch immer mehr degenerierte und letztlich zu einem abartigen Triebtäter mutierte. Interessant ebenfalls die Schilderungen der mal akribisch, mal eher unzureichend betriebenen Fahndungsmethoden der Kripo zur damaligen Zeit mit ihren vom heutigen Standard noch weit entfernten Möglichkeiten und der teils kruden und engstirnigen Haltung von Behörden und Gerichten mit einer vollständigen Ausrichtung auf Bestrafung ohne wirkliche Würdigung forensischer Gutachten, wie sie auch zu Kroll erstellt wurden. Und natürlich über allem das schier unglaubliche Glück des Täters, der in einem regional begrenzten Raum über 20 Jahre lang seine Untaten begehen konnte, ohne gefasst zu werden. Ein hervorragend geschriebenes Buch, das allerdings eine mental extrem starke Leserschaft erfordert.

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