Charleen
Ich habe mich seit Monaten auf "Making Faces" gefreut und konnte es gar nicht erwarten, das Buch endlich in den Händen halten und lesen zu dürfen. Nicht nur das wunderschöne - also wirklich wunder wunderschöne - Cover hat es mir sofort angetan, sondern auch der Klappentext hat sich einfach unfassbar gut angehört. Ich habe vor diesem Buch noch nichts von der Autorin gelesen gehabt und war deshalb natürlich umso gespannter darauf, was mich in diesem hier wohl erwarten würde. Und das erste, was mir hier sofort aufgefallen ist, war der unfassbar poetische, aber eben auch sehr schwierige Schreibstil von Amy Harmon, der einen definitiv zum Nachdenken anregt und einem Einiges mit auf den Weg gibt, einem das Lesen aber des Öfteren ziemlich erschwert hat. »Wir alle fügen uns zu diesem Gesamtbild zusammen, das wir Leben nennen. Niemand von uns kann erkennen, welche Rolle wir spielen oder wie das Bild am Ende aussehen wird. Vielleicht sind die Wunder, die wir wahrnehmen, nur die Spitze des Eisbergs. Und vielleicht erkennen wir nur nicht die segensreichen Dinge, die aus schrecklichem Unglück entstehen.« Wenn ich ehrlich bin, muss ich gestehen, dass es echt eine Weile gedauert hat, bis die Geschichte angefangen hat, mich wirklich zu erreichen. Gerade mit den ersten 100 - vielleicht auch etwas mehr - Seiten habe ich mich unglaublich schwergetan und ich wusste lange Zeit nicht, wo mich das Ganze hinbringen soll. Ich war vom ersten Moment an irgendwie total fasziniert von diesem besonderen Schreibstil der Autorin, habe aber auch schnell gemerkt, dass dieser meinen Lesefluss negativ beeinflusst. Ich bin nur sehr langsam vorangekommen und obwohl ich das Geschriebene wirklich gut fand und mir bewusst war, dass mir dieses Buch gerade etwas eigentlich echt Tiefgründiges vermittelt möchte, hat es mich emotional nicht richtig erreicht. Warum das so ist? Diese Frage habe ich mir auch lange gestellt und bin dann irgendwann auch zu einer Antwort gekommen. Es hat nämlich daran gelegen, dass die Botschaften an sich, die übermittelt werden sollten, zwar Tiefe hatte, die Personen, die diese übermitteln sollten, aber eben keine besessen haben. Oder ich diese zumindest nicht spüren konnte. Und das wiederum hat auch der eigentlichen Message einiges an Macht genommen. Etwas, was mich auch gestört hat war, dass diese gesamte Geschichte so wirkt, als hätte man mehrere Storylines aus eigentlich verschiedenen Büchern genommen und versucht, diese miteinander zu verknüpfen. Nur, dass dadurch zum einen jede einzelne Handlung irgendwie zu kurz gekommen ist und zum anderen der Übergang vom einem zum anderen einfach nicht stimmig war. Für Verwirrung meiner Gedanken und Gefühle hat dann aber wieder gesorgt, dass die Autorin unfassbar viele tolle Aussagen mit eingebaut hat, die es mir unmöglich machen, zu sagen, dass mir ein wichtiger Teil dieses Buches nicht gefallen hat. Ich war die ganze Zeit hin- und hergerissen zwischen "Mich stört der Ablauf dieser Geschichte, die abgehackten Szenen und die fehlende Tiefe der Charaktere" und "Wow, das was die Autorin da schreibt, schenkt mir gerade eine vollkommen andere Sichtweise und öffnet mir die Augen für etwas, das ich vorher so nicht gesehen habe". »Ich habe oft das Gefühl, dass Schönheit wahrer Liebe im Weg stehen kann. Weil wir uns manchmal in ein Gesicht verlieben und nicht in das, was dahintersteckt.« Hinzu kommt, dass ich mir durchaus darüber im Klaren bin, dass mir dieses Buch einiges zu sagen hatte und diese Dinge auch wirklich bei mir angekommen sind. Ein Hauptthema, das während des gesamten Verlaufs der Geschichte eine wichtige Rolle spielt, ist die Schönheit. Es geht darum, wie viel Einfluss die Schönheit eines Menschen auf dessen Leben nehmen und es sowohl positiv als auch negativ beeinflussen kann. Es geht darum, wahre Schönheit wirklich zu definieren. Es geht um die Frage, ob wahre Schönheit das ist, was man sieht, wenn man einen Menschen und sein Äußeres anschaut oder ob wahre Schönheit vielleicht doch eher das ist, was im Verborgenen liegt und was man nur bei genauerem Hinsehen wirklich wahrnehmen kann. Es geht darum, dass der wunderschöneste Mensch den miesesten Charakter und der hässlichste Mensch den allertollsten Charakter haben kann und jeder für sich entscheiden muss, was davon ihm wichtiger ist. Und es geht um die Vergänglichkeit äußerer Schönheit und darum, dass man manchmal eben genau diese verlieren muss, um seine eigene innere Schönheit zu entdecken. Was ich super schade finde ist, dass ich die Charaktere nicht wirklich kennenlernen konnte. Sie sind allesamt zu blass geblieben, ich habe keinen richtigen Einblick in ihre Gedanken und Gefühle bekommen und es war mir nicht möglich, eine Verbindung zu ihnen aufzubauen. Fern lernt man als das "hässliche Entlein" mit dem dafür umso größeren und reineren Herzen kennen, das alles für die Menschen tun würde, die sie liebt und die aber eben genau dieses große und reine Herz schon vor langer langer Zeit an Ambrose Young verloren hat, der sie vermutlich nicht einmal dann wahrnehmen würde, wenn sie leuchten würde wie ein Tannenbaum. Obwohl sie die Protagonistin dieser Geschichte ist, sind die zwei Hauptrollen die sie hier spielt, die beste Freundin und Fürsorgerin von Bailey und die Rettung des - nach einem tragischen Ereignis nun gebrochenen - Ambrose. Ihre eigene Geschichte ist mir leider viel zu kurz gekommen und ich hätte mir hier definitiv mehr gewünscht. Was Ambrose angeht, habe ich hier wirklich unglaublich viel Potenzial gesehen, das aber einfach nicht richtig genutzt worden ist. Die Entscheidung, die er trifft und die dafür verantwortlich ist, dass sein ganzes Leben sich verändert, war für mich nicht nachvollziehbar. Es hat sich mir einfach nicht erschließen können, woher diese kam und warum sie ihm so wichtig war. Aber auch nach dem Ereignis, das alles für ihn verändert hat, geht das Ganze zu wenig in die Tiefe. Verlust, Trauer, Schmerz und die Frage nach dem Sinn des Lebens kommen immer wieder auf und spielen die ganze Zeit eine entscheidende Rolle in seinem Leben, aber auf nichts davon wird wirklich näher eingegangen. Und jedes Mal, wenn ich gerade versucht habe, eine dieser Emotionen oder auch einen Gedanken von ihm zu fassen zu bekommen, war das Buch schon wieder bei der nächsten Szene angelangt. Man hätte hier einfach - gerade emotional gesehen - so viel mehr rausholen können und ich wünschte wirklich, die Autorin hätte dies getan. Das einzige Schicksal, das mich tatsächlich wirklich berühren konnte, war das von Bailey. Bailey war ein Charakter, der Leben in die Geschichte gebracht und nie seine positive und energiegeladene Ausstrahlung verloren hat. Auch, wenn er allen Grund dazu hätte, Trübsal zu blasen, ist er derjenige, der sowohl Fern als auch Ambrose immer wieder neuen Mut schenkt und er ist wirklich eine wahnsinnige Bereicherung für das Buch gewesen. Seine Geschichte nimmt eine sehr überraschende Wendung mit der ich so niemals gerechnet hätte und ich muss sagen, dass genau diese auch mein Highlight in diesem Buch war. »Verloren oder allein?« »Ich wäre viel lieber mit dir verloren als ohne dich allein, deshalb nehme ich verloren unter Vorbehalt.« Dadurch, dass ich Fern und Ambrose nicht richtig zu fassen bekommen habe, fiel es mir auch schwer, bezüglich der sich zwischen ihnen entwickelnde Liebesgeschichte wirklich etwas zu fühlen. Auf der einen Seite hat mich ihre Beziehung auf gewisse Art und Weise fasziniert - ihre Sanftheit, ihre Entwicklung und die Ereignisse die mit dieser verbunden sind und die Schwere, die die Liebe der beiden dauerhaft begleitet. Aber auf der anderen Seite habe ich eben genau diese Liebe nicht spüren können. Sie ist verbunden mit wunderschönen, tiefgründigen und sehr aussagekräftigen Worten, aber ihr fehlt das Gefühl. Sie konnte meinen Kopf, aber leider nicht mein Herz erreichen. Und genau aus diesem Grund bin ich auch so wahnsinnig hin- und hergerissen, was das gesamte Buch angeht. »Danke, dass du selbst Hässlichem bezaubernde Schönheit schenkst.« Die Botschaft, die "Making Faces" rüberbringen soll, ist eine ganz Besondere und vor allem eine ganz besonders Wichtige. Der poetische Schreibstil sorgt dafür, dass sich die hier geschriebenen Worte im Gedächtnis einnisten und einen wirklich zum Nachdenken anregen. Das Buch ermöglicht einem verschiedene Sichtweisen auf die wichtigen Dinge im Leben, öffnet einen viellicht an der ein oder anderen Stelle die Augen und hat eine unglaubliche Macht. Allerdings wird all das einfach wirklich dadurch geschwächt, dass die Charaktere all diese Dinge mit viel zu wenig Tiefe versucht haben, rüber zu bringen. Und genau diese fehlende Tiefe, die fehlende Greifbarkeit der Protagonisten und das fehlende Gefühl sind der Grund dafür, dass mir das Buch in seiner Gesamtheit leider nicht so gut gefallen hat, wie ich es mir erhofft hätte. Trotzdem bin ich sehr froh, es gelesen zu haben und würde auch jedem anderen empfehlen, es schon alleine wegen seiner Poesie und der Message, die es enthält, zu lesen.