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zauberberggast

Posted on 12.11.2020

Elmet, eine gesellschaftliche Utopie Die Themen alternative Lebensentwürfe jenseits der Mainstream-Gesellschaft, "zurück zur Natur", Ökologie, Selbstversorger und Aussteigen sind in der aktuellen Belletristik gerade sehr en vogue. Auch hier kommt es aber auch wieder auf das "Wie" an, denn ob eine Geschichte den Leser berührt, kann nicht allein durch eine den Zeitgeist erfüllende Thematik erreicht werden. Es muss einfach das Gesamtpaket stimmen, denn was nützt die beste und brisanteste Thematik wenn Erzählweise, Plot und Figurenzeichnung nicht stimmen? In Fiona Mozleys "Elmet" stimmt alles. Nicht umsonst wurde der Roman 2017 für den "Booker Prize" nominiert. Archaisch und fesselnd erzählt die Buchhändlerin Mozley ihre Geschichte. In dieser geht es um Moral, Recht und die Sehnsucht nach einem Idyll. John Smythe verlässt seine Dorfgemeinschaft und zieht mit seinen jugendlichen Kindern Cathy Oliver und Daniel Oliver nach Elmet, ein Landstrich in Yorkshire, der früher einmal ein britannisches Königreich war. Hier hausen die drei total abgeschieden in einem Wäldchen und dort in einer aus Lehm und Haselzweigen selbst gebauten Hütte in der Nähe der Eisenbahnlinie London-Edinburgh. Der Vater verdient sein Geld mit Faustkämpfen, gegessen wird vor allem selbst erlegtes Wild, Eier der eigenen Hühner und selbst angebautes Gemüse. Bildung erhalten die Kinder durch Vivien, eine Freundin der abwesenden Mutter, deren Schicksal zunächst im Dunkeln bleibt. Das utopistische Projekt vom Selbstversorger-Leben in der Natur wird jäh gefährdet durch das Auftauchen des Großgrundbesitzers Mr. Price. Obwohl er mit dem Land, auf dem das Häuschen der Familie Oliver/Symthe steht, nichts anfangen will, beansprucht er selbiges für sich. Es beginnt ein zunächst kalter Krieg, bei dem es nur Verlierer geben kann. Ganz langsam entfaltet sich die Tragik dieses Romans. Leise und eindringlich entwickelt sich der Spannungsbogen. Dem Leser schwant bereits am Anfang Böses, denn direkt im ersten Kapitel wird angedeutet, dass das "Projekt" Elmet gescheitert ist. Hier spricht die Stimme des Erzählers Daniel im Präsens, kursiv gesetzt. Solche erzählerischen Intermezzi bzw Stimmen aus der Gegenwart des Erzählers gibt es zwischendurch dann noch öfters. Sie durchbrechen die in Rückblenden erzählte Handlung. Was ist vorgefallen, fragt sich der Leser, wie konnte diese Familie mit ihrem alternativen Dasein so krachend scheitern? Warum ist der Traum vom Einsiedlerleben im Wald geplatzt? "Elmet" ist ein durch und durch sozialkritischer Roman über "Haben und Sein", der den Kapitalismus und seine oftmals menschenverachtenden Prinzipien in Frage stellt. Der ominöse Mr. Smith steht für den Kapitalismus in Reinkultur, also für das "Haben" als Eigenwert, während die Familie Oliver/Smythe einfach nur "sein" möchte und zwar auf dem Land, das sie sich zum Leben auserkoren hat. Es ist eine trostlose, sehr traurige und brutale Geschichte, die Fiona Mozley sich ausgedacht hat - "bleak" wie man im Englischen sagen würde. Sehr atmosphärisch ist dieser Roman, beklemmend und doch von ausnehmend schöner Sprache, die niemals überfrachtet oder gekünstelt daherkommt. Ein kleines Juwel der Erzählkunst und noch dazu ein Debütroman!

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