Profilbild von stevebylaw

stevebylaw

Posted on 9.11.2020

Auch wenn wir an der Oberfläche vielleicht eine Liebesgeschichte serviert bekommen, verrät der Titel schon viel mehr: Allegro, das Schnelle, wird gepaart mit Pastell, einem Material, dass sehr empfindlich ist und kaum auf dem Papier haftet und dementsprechend häufig mit Vergänglichkeit assoziiert wird. Beschrieben werden hier zwei hyperreflektierte Menschen und ihre Zustände des flüchtigen Glücks, die sich schon beim Erreichen auflösen weil sie bedingungslos zunichte reflektiert werden. Tanja beschreibt diesen Zustand als "vorauseilende Wehmut" - ihren Idealzustand. Auch über ihren Freund Jerome heißt es: "Jerome schätzte es, wenn Menschen in der Lage waren, Wehmut zu entwickeln. Nostalgie bewertete er deutlich kritischer. Jerome glaubte, dass Wehmut als politisch links und Nostalgie als politisch rechts einzustufen war. Im Aufkommen von Wehmut erkannte er ein Eingeständnis von Schwäche und Schutzbedürftigkeit, während Nostalgie die selbstgerechte und zumeist stolze Glorifzierung einer Vergangenheit war, die es nie gegeben hatte." Leif Randt beschreibt letztlich eben genau diese Schwäche und Schutzbedürftigkeit, die im vollkommen durchgestylten Alltag der Charaktere meist untergeht. Randt verbindet diesen Versessenheit auf Style, Oberfläche wunderbar mit der "Sehnsucht nach Ordnung und Struktur" die sowohl Tanja als auch Jerome anstreben. Daher sind ihre Drogenerfahrungen letztlich nur kontrollierte Kontrollverluste - das Glas Wasser darf beim Trip nie fehlen. Eigentlich beschreibt Randt hier fasst schon eine Dystopie, wie Aldous Huxley sie schon in Brave New World beschrieben hat - alle sind irgendwie meistens schon glücklich, aber letztlich nur oberflächlich. Tiefere Gedankengänge werden gleich vermieden: "Jerome äußerte diesen Gedanken aber nie, da er ihm nicht gänzlich valide vorkam." So spaltet Jerome seine Persönlichkeit gleich in eine innere und eine äußere auf - die Innere behält er für sich selbst, handeln tut er nur nach seiner äußeren Persönlichkeit, "die sich aus den Zuschreibungen der Umwelt zusammensetzte. Seine äußere Persönlichkeit konnte er auf Fotos und im Spiegel erahnen, da er dort die Blicke, Unterstellungen und Assoziationen anderer automatisch mitdachte." Viel deutlich, lakonischer und lethargischer kann man unsere Generation kaum beschreiben, in der es eben nicht mehr um Persönlichkeiten, sondern eher um Profile geht, "möglichst publikumswirksam eine gute Zeit zu haben." Zwar merken beide schon, dass das Leben geprägt vom Blick des Anderen letztlich nicht ausreicht, doch beschließt Tanja: "Ich bin viel zu träge, um Alternative zu denken. In letzter Instanz werde ich wohl einfach weiter mitmachen." Falls man also gerne sympathische, Mitfiebern-Charaktere liest, ist Allegro Pastell sicherlich das falsche Buch. Letztlich ist Allegro Pastell auch ein später Coming-of-Age-Roman, sind doch beide aus dem typischen Alter des Adoleszenz-Romans längst raus. Doch beide zelebrieren ihre jugendliche Sorglosigkeit, ihre Insta-Stories bei Decathlon und ihr Ausgehen in bewusst schäbigen Bars und Clubs. All das rechtfertigt schon die Reviews, die das Buch als "Generationenporträt" abstempeln, auch wenn diese Generation, zu der ich mich selbst zähle, nicht gerade sympathisch, sondern hemmungslos selbstverliebt, verloren und ziellos zugleich ist. Leif Randt pflastert seinen Roman dabei mit Sätzen wie "Jerome kokettierte mit der Rolle des überglücklichen heterosexuellen Partners" oder "Sie hatten leicht pathetischen Sex auf der Couch, bestimmt von der Überzeugung, dass sie nun etwas fraglos Gutes für ihren Geist und ihren Körper taten" bei denen ich immer irgendwo zwischen Lachen, Wut, Kopfschütteln steckengeblieben bin, beim 2ten Lesen dann aber einfach nur anerkennen konnte, wie stilistisch gut der Roman ist, auch wenn er emotional eine (tröstliche) Leere erzeugt.

zurück nach oben