hermunduh
Das schwarze Königreich - Die ersten 20 Seiten las ich atemlos Selten haben mich die ersten 20 Seiten eines Buches so gefesselt, wie in Twardochs neuen Roman. Zu Beginn sind wir mit Ryfka unterwegs, die im zerschossenen Warschau im Winter vor dem Einmarsch der Roten Armee nach Nahrung für sich und ihren halbtoten Lebensmenschen Jakub sucht. Beide sind Überlebende, Juden, die den Warschauer Aufstand in einem Versteck überstanden hatten. Ihr Suchgebiet erstreckt sich über wenige Straßenzüge, man spürt die Angst und lauscht atemlos Rykas Reflektionen aus dem Inneren der Pein. Die Welt vor Ryfka ist eisig kalt, ringsum streunen deutsche Soldaten und Polizisten durch die Trümmer, die Jagd auf Leute wie sie machen. Der nächste Schritt kann den Tod bedeuten. Parallel zu Ryfka sitzen wir mit David im Boot, einem jüdischen Jungen, der ebenfalls das Inferno überlebt hat. Beide erzählen in Rückblenden von ihrem vorherigen Leben, Ryfka war Puffmutter, David der Sohn eines berüchtigten jüdischen Kriminellen. Schnell verlassen wir den Mikrokosmos Ryfkas und landen in der großen jüdisch-polnischen Geschichte zur Zeit der deutschen Besatzung. Der Roman nimmt Fahrt auf und stürzt sich in ein Feld unzähliger Geschichten. Leider nimmt er sehr zackig Fahrt auf, Twardoch hatte wohl den alles schockenden Besatzungsroman im Blick, verliert dadurch aber das intime Terrain, in dem er uns auf den ersten Seiten ablässt. Das ist schade, weil er sich dadurch von seinen Protagonisten entfernt und diese geradezu beklemmende Nähe zu ihnen verlässt. Einerseits atmet man als Leser auf, andererseits verliert die Geschichte an Tiefgang, weil Twardoch alles auserzählen muss. Insgesamt geht dem Buch nach hinten die Puste aus, darüber können auch die zahllosen nachzulesenden Schrecknisse nicht hinweghelfen.