pmelittam
Paris, 1851: Die mittellose Gräfin Anna von Dorn nimmt eine Stelle als Lehrerin an, um sich ihren Lebensunterhalt verdienen zu können. Dabei stolpert sie über die Werke Alexandre Dumas, die sie skandalös findet – sie will dem Schriftsteller das Handwerk legen, trifft dabei aber auf einen alten Feind. Dumas hat derweil schon genug andere Probleme, nicht nur die Gläubiger rücken ihm auf den Pelz, und dann erscheint auch noch ein Artikel in seiner Zeitschrift, der ihn als Hochverräter darstehen lässt – den er aber gar nicht geschrieben hat. Anna und Dumas stellen schließlich fest, dass sie gemeinsame Interessen haben, und machen sich auf die Jagd nach demjenigen, der beider Leben auf den Kopf gestellt hat. Der Autor hat in Händchen für besondere Stoffe, was sich auch hier zeigt. Wahrscheinlich kennt jeder zumindest einen Roman Dumas‘, und ihn hier selbst als Protagonisten vorzufinden, macht Spaß, zumal es hier genauso spannend und actionreich zugeht wie in seinen Werken. Der Autor bedient sich sogar einer entsprechend altertümlich wirkenden Sprache mit vielen schönen altmodischen Wörtern – wobei ich das nie als anstrengend empfand sondern eher atmosphärisch. Und dann gibt es herrliche Sätze wie diesen: „Die Geschichten aus dem Unterleib der Literatur wurden ihrem gerechten Schicksal zugeführt“ (Pos. 920) Atmosphäre gibt es hier sehr viel, und auch einiges zum Schmunzeln. Die Reise führt von Paris nach London und St. Petersburg, und überall fühlt man sich schnell im Land angekommen. Die Schauplätze haben mir jeweils gut gefallen, in London z. B. besucht man nicht nur die königliche Familie sondern auch ein Gefängnis, St. Petersburg lädt in die Eremitage und zu einer Wolfsjagd ein. Dumas mochte ich von Anfang an, er ist ein frivoler Lebemann, hat aber ein gutes Herz, zeigt Empathie, und bringt einiges an Humor ins Spiel (wenn ich alleine daran denke, was er im Londoner Gefängnis anstellt, um seine Hinrichtung aufzuschieben …). Anders Anna, die ich wegen ihrer Sittenstrenge zunächst sehr anstrengend fand, die aber eine schöne Entwicklung durchmacht. Außerdem finde ich es sehr interessant mit Anna eine Protagonistin zu haben, die auf den Rollstuhl angewiesen ist. Die meisten anderen Charaktere spielen nur eine untergeordnete Rolle, sind aber doch gelungen charakterisiert. Und dann ist da natürlich noch der Antagonist, der zunächst schön teuflisch wirkt, mich aber am Ende doch ein bisschen enttäuscht hat, ebenso wie die „Auflösung“ um ihn. Wie es sich für einen anständigen historischen Roman gehört, gibt es ein Nachwort des Autors, in dem er auf Wahrheit und Fiktion eingeht – und mir richtig Lust macht, eine Dumas-Biografie zu lesen. Dirk Husemann entwickelt sich langsam zu einem meiner Lieblingsautoren, ich mag seine Romane, weil sie in meinen Augen besonders sind und nicht mit Humor sparen. Leider hat mich hier der Antagonist nicht komplett überzeugt, so dass ich zwar „nur“ 4 Sterne vergebe, aber auf jeden Fall eine Leseempfehlung ausspreche.