lea sophie
Rezension: "Er kann mir nicht wehtun. Er kann auch nichts kaputt machen, aber das weiß er nicht, weil er ohnehin nicht wirklich hinschaut. Wie will man etwas kaputt machen, das schon längst in Scherben liegt?" - Ein Lächeln sieht man auch im Dunkeln Aufbau/ Schreibstil: Man lernt in diesem Buch Samuel, Marie und Theo kennen, drei Teenager, die unterschiedlicher nicht sein können und doch verbindet sie etwas – die Frage nach der Zukunft. Alle drei Sichten haben mir sehr gut gefallen, weil sie eben so vielfältig, interessant, informativ und unglaublich authentisch waren. Der Schreibstil von Adriana Popescu ist einfach toll gewesen und da es mein erstes Buch von ihr war, konnte es mich sehr überzeugen. Sie schreibt sehr bildhaft und detailliert, aber dennoch bleibt das Hauptthema im Fokus und ist immer verständlich und flüssig geschrieben. Dank der ständigen Sichtwechsel hatte man einen tieferen Einblick in die Gedanken und Gefühle der Protagonisten und besonders der Wandel jeder einzelnen Figur war dadurch gut erkennbar. Protagonisten: Samuel ist der Neue an der Schule und versucht sich im Hintergrund zu halten, möglichst nicht aufzufallen und vor allem sich nicht in fremde Angelegenheiten einzumischen. Das funktioniert nicht sehr gut, denn seine Vergangenheit holt ihn immer wieder ein – seine alten Freunde, von denen er sich nicht fernhalten kann, seine alte Heimat, zu der er immer wieder zurückfindet und alte Muster, in die er droht zu rutschen. Samuel ist im ersten Moment geheimnisvoll und mutig, er setzt sich für diejenigen ein, die sich nicht selbst wehren können und schon früh findet man heraus, was es damit auf sich hat. In Samuels Leben gab es schon einige einschneidende Momente und eine Zeit, die er am liebsten hinter sich lassen möchte. Man vermutet bereits, dass etwas geschehen sein muss, was ihm die Augen geöffnet hat und weshalb er sich ändern möchte. Er lebt jetzt bei seiner Mutter, hat einige Einschränkungen und muss sich an einige Regeln halten, denn davon hängt so einiges ab. Er wirkt durch das gesamte Buch hin selbstbewusst und mutig, aber auch auf ihm lastet ein Schatten und eine verletzliche Seite, die er mithilfe von Gedankenspaziergängen versucht hinter sich zu lassen – wenigstens für einen kurzen Moment. Marie und Theo sind Geschwister, während Marie sehr liebevolle, verständnisvoll, hilfsbereit und selbstbewusst ist, ist ihr Bruder Theo sensibel, in sich gekehrt, traumatisiert und ängstlich. Beide sind wahnsinnig authentisch und mir während des Lesens immer mehr ans Herz gewachsen. Es ist offensichtlich, dass in dieser Familie nicht alles richtig läuft, Marie fühlt sich ausgeschlossen, nicht beachtet und die ganze Aufmerksamkeit dreht sich immer nur um Theo. Obwohl sie ihren Bruder bedingungslos liebt und seine Situation nachvollziehen kann, erdrückt sie die momentane Familienlage doch sehr, sodass sie sich nur nach wenigen Minuten Freiheit sehnt, denn ihre Welt steht schon seit langem still. Marie belügt auf Wunsch von Theo ihre Eltern, wahrt dem Schein, dass alles in Ordnung ist und verliert dadurch immer mehr sich selbst. Sie muss mit 17 sehr viel Verantwortung übernehmen und sehr viel unter einen Hut bringen, aber nichts ist mehr, wie es vor dem Vorfall war. Erst durch Samuel erwacht ihre Freude am Leben erst wieder und sie beginnt sich Gedanken über ihre Zukunft zu machen. Theo kämpft mit seinen Erinnerungen, die ihm ständig Panikattacken verursachen und Ängste auslösen. Seine Dämonen verfolgen ihn und lassen ihn an allem Zweifeln – am Leben, am Glücklichsein, am Normalsein. Am liebsten verbringt er Zeit in seinem Zimmer, schließt die Welt aus und versucht einfach durch den Alltag zu kommen, ohne Opfer einer weiteren Mobbingattacke seiner Mitschüler zu werden. Er hat es nicht leicht, aber er kann sich auch nicht dagegen wehren, weshalb Marie seine größte Unterstützung ist. Seit neustem ist da aber auch Samuel, der sich für ihn einsetzt und seit langem der Erste, der Theo versteht und akzeptiert so, wie er ist. Story: Drei Teenager, drei schlimme Schicksale, drei unterschiedliche Leben, drei Charaktere, die ihren Platz in der Gesellschaft suchen und die Hoffnung auf eine Zukunft haben, in der sie sein können, wer sie wirklich sind. Alles beginnt ziemlich unscheinbar, es wird der typische Schulalltag beschrieben, man lernt Samuel kennen und es entwickelt sich schon langsam eine zarte Liebesgeschichte zwischen ihm und Marie. Sie versucht ihr letztes Jahr an der Schule zu bewältigen, was nicht sehr einfach zu sein scheint, weil sie eine große Last auf ihren Schultern trägt. Man erwartet von ihr, dass sie immer funktioniert und das Richtige tut, aber nie erfährt man etwas über ihre eigentlichen Interessen oder Pläne, nie hört man davon, dass sie sich mit Freunden trifft oder ihren eigenen Weg geht, was ich ziemlich schade fand. Schnell wird deutlich, dass das Ganze eine andere Richtung annimmt und viel mehr Tiefgang beinhaltet als man auf den ersten Blick vermuten würde. Denn alle Protagonisten haben eine mehr oder weniger unschöne Vorgeschichte, die immer noch auf ihnen lastet und unglücklicherweise hängen einige Dinge unweigerlich miteinander zusammen. Viele Geheimnisse stecken hinter der unscheinbaren Fassade, die langsam ans Licht kommen. Es ist eine Teufelsspirale, die nie endet, äußere Einflüsse, Menschen, die einen beeinflussen und Mobbing, das Menschen verändert und im Inneren komplett zerstört, sowie unsichtbare Narben hinterlässt, die nie heilen. Vor allem das Ende hat eine dramatische Wendung genommen und so einiges offenbart. Trotzdem hätte ich gerne noch einige Einblicke in das Leben der drei bekommen, nachdem sich alles aufgelöst hat. Das Buch ist einfühlsam, authentisch und nachvollziehbar geschrieben und hat mich sehr berührt. Es werden wichtige Themen behandelt, wie Mobbing, toxische Freundschaften, Kriminalität, Familie und die Frage nach der Zukunft. Sie alle wollen einen Neuanfang, einen Ausweg und sind auf der Suche nach einer zweiten Chance.