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mabuerele

Posted on 4.11.2020

„...Kinder sind kleine Engel, deren Flügel immer kürzer werden, je längere Beine sie bekommen...“ Dieser Satz gehört zu den vielen Sprüchen, die der Autor in seine Geschichte eingebaut und grafisch in Szene gesetzt hat. Der Autor lässt mich teilhaben an seiner Lebensgeschichte, die er mal ernst, mal heiter erzählt, in jedem Fall aber ungeschminkt und ehrlich mit allen Fehlern und Niederlagen. Er ist eine Persönlichkeit mit vielen Facetten. Geboren im Jahre 1950 war seine Kindheit vom damals meist praktizierten autoritären Erziehungsstil geprägt. Hinzu kam, dass Arno ein sehr lebhaftes Kind mit vielen außergewöhnlichen Ideen war, die bei seiner Mutter nie auf Gegenliebe stießen. In der Familie hatte sie das Sagen. „...Denn ich spielte gerne – und zwar nicht nur im übertragenen Sinn - mit dem Feuer. Das ging so manches Mal ordentlich schief...“ Es fehlte an Zuneigung und Wertschätzung. Eine der seltenen Ausnahmen war Tante Brunhilde, die den Jungen so nahm, wie er war. Es sollte Jahre dauern, bis Arno begriff, dass vieles in seinem Tun und Handeln auf die Diagnose ADHS zurückzuführen ist. Die kannte in den 50er Jahren kaum jemand. Schulwechsel waren die Regel, nicht die Ausnahme. Mit 13 Jahren nahm er das erste mal an einem christlichen Ferienlager teil – und erhielt vom Gruppenführer ein Lob. Bisher wusste er gar nicht, was das war. „...Es war die erste positive Aussage, die ich je über mich gehört hatte, und sie hatte sofort mein Herz erreicht...“ Nach dem Abgang von der Schule macht er erste positive Erfahrungen mit dem Glauben. Er arbeitet aktiv in einer Jugendgruppe mit. Wer nun annimmt, dass sich sein Leben sofort geändert hat, dem macht der Autor klar, dass es Jahre und Jahrzehnte gedauert hat, schlechte Angewohnheiten abzulegen. Die Reue kam nach und nach. Dann war er auch bereit, um Vergebung zu bitten, sich zu entschuldigen und für finanzielle Verluste einzugestehen. Das war ein inneren Wandlungs- und Arbeitsprozess. Was jahrelang gut funktionierte, wurde nicht von Jetzt auf Gleich ad acta gelegt. Gerade diese Ehrlichkeit gibt dem Buch sein besonderes Gepräge. Er findet die Kraft, die Schulabschluss nachzuholen und ein Studium im Bereich Sozialwissenschaften zu absolvieren. Auch in seiner Ehe mit Hanna ging nicht alles glatt. Unterschiedliche Temperamente und Ansichten mussten in Einklang gebracht werden. In diesen Kapiteln kommt Hanna selbst zu Wort und schildert Erfolge und Schwierigkeiten aus ihrer Sicht. Sehr deutlich wird, welche positive und negativen Folgen ein Leben mit ADHS hat. Langeweile führt zu Aktionismus. Der kann schadet, aber auch nutzen. Auf Grund seines Wesenx kam der Autor auf Ideen, seinen Glauben weiterzutragen, vor denen ein jeder anderer zurückgeschreckt wäre. Ideen wurden relativ zeitnah umgesetzt. Zeit zum Nachdenken nahm er sich eher selten. Ein Beispiel? Er setzte sich in eine belebte Einkaufsstraße – nicht um zu betteln, sondern um den Menschen etwas Geld zu schenken und so mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Und wie reagierte die deutsche Bürokratie? „...Wenn Sie noch einmal Geld verschenken wollen, dann melden Sie das bitte vorher beim Ordnungsamt an. Jetzt müssen wir Sie bitten, diesen Platz unverzüglich zu verlassen...“ Das Buch gewährt mit Einblicke ins Privatleben des Autors, in seine Arbeit als Sänger oder in seine Gedanken und Planungen beim Gründen einer Gemeinde. Nicht alles kann und will ich hier erwähnen. Der Schriftstil ist locker. Er wird durchsetzt von Sprühen, Anektoden und Witzen. Letztere sind farbig unterlegt. Sätze, die dem Autor vermutlich besonders wichtig waren, sind schwarz unterlegt in weißer Schrift. Ein Nachwort im Stile eines Interviews vertieft die eine oder andere Aussage. Eine Menge persönliche Fotos veranschaulichen das Geschehen. Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Es beschönigt nichts, sondern zeigt die Realität eines Lebens, das der Glaube zum Positiven verändert hat.

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