Vinachia Burke
Worum geht’s? Band I der Drachenkopf Chroniken ist der Auftakt einer mehrteiligen Reihe aus der Feder der deutschsprachigen Selfpublisherin J.E. Curtz. Wir folgen der Protagonistin Mirin, die eine fremdartige Form der Magie besitzt und fernab der Zivilisation aufwuchs. Ihre Herkunft, ihre Vergangenheit und ihr Hang zum Düsterem werfen von Anfang an viele Fragen auf und verlockt den Leser zum raten und grübeln. Angesiedelt ist die Handlung in einer mittelalterähnlichen Welt, in der Menschen, Elfen, Magier, Gestaltwandler und weitere Arten miteinander leben und arbeiten. Plot & Spannungsbogen Der Plot des ersten Bandes erstreckt sich auf beachtenswerte 850 Seiten und besitzt zwei Höhepunkte in der Mitte und am Ende. Die Einleitung und die erste Hälfte bis zum ersten Höhepunkt finde ich besonders gut gelungen. Man bekommt einen Einblick in die Welt, in Mirin und den Grundkonflikt. Das dafür die Hälfte des Buches benötigt wird, ist aus meiner Sicht nicht tragisch. Schließlich handelt es sich hierbei um den ersten Band einer längeren Reihe. Der Höhepunkt in der Mitte war notwendig und sehr gelungen, um das Interesse des Lesers bei 850 Seiten weiterhin zu fesseln. In der zweiten Hälfte sind die Protagonisten in einem Katz-und-Mausspiel verworren, das am Ende allerdings bei mir ein unbefriedigtes Gefühl hinterlässt. Auch der Schluss konnte mich als Höhepunkt nicht zur Gänze überzeugen, war aber dennoch sehr gut. Stil Die Geschichte ist aus Sicht der 3. Person geschrieben, der Leser bleibt jedoch überwiegend bei Mirins Perspektive. Zu Beginn jedes Kapitels gibt es kurze Einleitungen aus der Ich-Perspektive, die dem Anschein nach aus der Zukunft einen Blick auf die aktuellen Ereignisse wirft und überwiegend von Mirins Freundin zu stammen scheinen, die sie im Verlauf der Geschichte kennenlernt. Das finde ich fantastisch, denn es erschafft eine passende Stimmung und erhöht den Grad der Immersivität! Der Stil von J.E. Curtz ist durchweg sehr gut und für ein SP Debüt erstaunlich. Er ist abwechslungsreich und angenehm leicht zu lesen. Sie schafft es sowohl langsame, als auch actionreiche Szenen nachvollziehbar und anschaulich zu beschreiben. Die Sprache ist vielseitig, dennoch nicht kompliziert und keine der Szenen wirkt hölzern oder steif. Charaktere Mirin ist eine sehr in sich selbst versunkene Person. Sie beobachtet viel, denkt über ihre Vergangenheit und ihre Geheimnisse nach und sorgt sich darüber, dass Menschen sie ausstoßen könnten. Sie redet wenig, insbesondere im Vergleich zu ihrer deutlich kontaktfreudigeren Freundin. Dennoch besitzt sie eine ausgeprägte Meinung zu allen Dingen, wodurch sie eine ausgeprägte innere Zerrissenheit besitzt. Die Handlung wird auch durch diese Zerrissenheit angetrieben, weshalb das Buch durchaus in die Kategorie des psychologischen Fantasy einzuordnen ist. Auch die meisten anderen Charaktere haben ihre Geheimnisse und Sorgen, die kaum mit anderen geteilt werden. Das macht sie extrem interessant und ich bin auf die Enthüllungen der nächsten Bände gespannt. Weltenbau Der Weltenbau geschieht nebenbei. Trotz der Länge der Geschichte erfährt man kaum viel über die Welt und ihre gesellschaftlichen Konflikte. Nicht mehr jedenfalls, als Mirin weiß und da die junge Magierin nicht in der Gesellschaft aufgewachsen ist, erfährt der Leser auch nur ihr begrenztes Wissen. Das finde ich sehr elegant und authentisch gelöst. Passt ebenfalls in das Genre des psychologischen Fantasy, der die Welt durch das Handeln des Protagonisten erklärt und nicht durch ein „Informationsdumping“. Positives: - Böses ist sehr Böse und wird mit bemerkenswerter schriftstellerischer Grausamkeit dargestellt – Respekt! - Mirins innere Zerrissenheit und ihre Gedanken, Gefühle und Abgründe werden wundervoll vor dem Leser präsentiert und zwar mit einer beachtlichen Nähe und Plastizität, was ein hohes Maß an Nachvollziehbarkeit schafft. - Bemerkenswerter Stil für ein Debüt, der Lust auf die zukünftigen Bücher macht. Negatives: - Einige Aspekte verlaufen bisher ins Leere ... am Ende bleiben viele offene Fragen und es gibt Themen, die seit der Hälfte des Buches grundlos keine Rolle mehr Spielen - Die Bösen sind (mit einer Ausnahme) eindimensional Böse. - Kurze Perspektivwechsel, die wie Versehen wirken. Fazit: Sehr gelungenes und atmosphärisches Debüt mit interessanten Charakteren, einer sich leicht einzufindenden Welt und einem genialen Schreibstil. Lediglich der Plot hinkt noch ein wenig, aber ich bin gespannt, wie die Entwicklung im zweiten Band sein wird – von Geschichte und Autorin. Ich erwarte hier noch Großes!