Lenislesestunden
"Ein Paradox dieser Tage: Während die Wirklichkeit immer komplexer wird, sind wir immer weniger bereit, Komplexität zu akzeptieren." (S. 58) Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber mir hilft es unheimlich bei der "Corona-Bewältigung", mir reflektierte Gedanken anderer Menschen dazu durchzulesen. Das war bei "Trotzdem" von Kluge/von Schirach schon so und genau so ging es mir auch mit "In Zeiten der Ansteckung" von Paolo Giordano. Ein weiteres kleines Büchlein, das man gut an einem Tag weglesen kann, und das doch sehr viel Input bietet. Giordano, Physiker, Journalist und Autor, wohnhaft in Rom, verfasste dieses Buch im Frühjahr 2020. Seine Gedanken und Einschätzungen sind aber auch zum jetzigen Zeitpunkt absolut treffend, die Prognosen traten alle ein. In diesem Buch ordnet er das Virus (für sich) ein und geht dabei unter anderem auf den gesellschaftlichen Umgang mit der Krise, das SIR-Modell sowie die Verbindung zwischen dem Auftreten von Pandemien und dem Ökosystem bzw. Klimawandel ein (fand ich besonders spannend, hatte ich so noch nie gesehen). Dabei sind seine Beobachtungen sehr scharf und in wenigen, kurzen Sätzen bringt er Sachverhalte treffend auf den Punkt: "Die beste Entscheidung ist nicht die auf der Grundlage meines ausschließlichen Nutzens getroffene. Die beste Entscheidung ist diejenige, die meinen Nutzen berücksichtigt und gleichzeitig den aller anderen." (S. 36f.) Meiner Meinung nach ist es sehr lohnens- und empfehlenswert, sich durch die Gedanken und Erläuterungen von Giordano dazu inspirieren zu lassen, wieder ein Stückchen weiterzudenken und ein paar neue Blickwinkel einzunehmen. Zumindest mir ging es so!