schnaeppchenjaegerin
Ein Jahr nachdem die sechsjährige Lydia bei einem Sturz vom Balkon auf tragische Weise ums Leben gekommen ist, beschließen ihre Eltern Angus und Sarah zusammen mit der verbliebenen Zwillingsschwester Kirstie neu anzufangen und von London nach Schottland zu ziehen, wo Angus eine kleine Insel von seiner Großmutter geerbt hat. Doch der Neubeginn ist schwierig. Das abgelegene Haus ist stark renovierungsbedürftig, Angus trinkt weiterhin zu viel Alkohol und Sarah ist häufig allein mit ihrer Tochter, die in der Schule keinen Anschluss findet. Kirstie behauptet immer vehementer, dass sie Lydia ist und auch Sarah kommen Zweifel, denn Kirstie scheint wirklich typische Eigenschaften von Lydia angenommen zu haben. Statt die Situation zu entspannen, wird der Inselaufenthalt immer unerträglicher. Kirsties Verhalten schwankt zwischen aggressiv und verängstigt und Sarah und Angus sind nicht nur mit Kirstie überfordert, sondern stellen auch ihre Ehe in Frage. Der Roman ist überwiegend aus der Ich-Perspektive von Sarah geschrieben, einzelne Kapitel schildern jedoch auch die Sicht von Angus, der ganz offensichtlich etwas zu verbergen hat. Im Fokus steht das Verhalten der siebenjährigen überlebenden Zwillingsschwester, das regelrecht verstörend ist. Umso weniger verständlich ist, dass die Eltern sich keine Hilfe suchen und nicht viel früher mit Kirstie einen Psychotherapeuten aufsuchen. So zieht sich die Geschichte etwas in die Länge, da sich die Situationen im Kreis drehen und die Handlung nicht weiter voranschreitet. Spannend ist aber dennoch zu erfahren, ob es tatsächlich sein kann, dass der falsche Zwilling beerdigt wurde und welches Geheimnis Angus verbirgt, dass sein widersprüchliches Verhalten gegenüber Sarah erklärt. Das Setting auf der abgelegenen Insel, das raue Klima und der einsetzende Winter mit Eisregen und Stürmen tragen neben dem Verhalten Sarahs und Angus, das von gegenseitigem Misstrauen geprägt ist, zur düsteren Stimmung bei. Was hinter Kirsties Identitätskrise steckt und wie die Geschichte am Ende aufgelöst wirkt, überzeugt nur bedingt. Zwar wird man als Leser überrascht, aber die Erklärung kommt zu abrupt und ergibt sich nicht wirklich aus der vorangegangen Handlung, so dass das Buch letztlich konstruiert wirkt. Nicht nachzuvollziehen ist, warum die Ereignisse um den Todesfall der Tochter von der gesamten Familie totgeschwiegen worden sind und die Tragödie damit vor allem in Bezug auf den überlebenden Zwilling noch verschlimmert hat. In Anbetracht der interessanten Grundidee hatte ich mir mehr psychologische Spannung und mehr Nervenkitzel versprochen.