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Bina Books

Posted on 20.10.2020

Eine Zeitreise in das New York der 1940er Jahre, die es in sich hat. Schillernd, laut, schnell, chaotisch – man kann den Glamour dieser Zeit beim Lesen förmlich spüren. Ich wurde direkt in den Bann dieser Zeit hineingezogen und habe mich plötzlich inmitten einer Theater-Crew wiedergefunden, deren enge Bande viel mehr an eine Familie, als an eine Gruppe von Künstlern erinnert. Die 19jährige Vivian Gilbert ist kein Mädchen, dass in die Konventionen der damaligen Zeit passt. Aus der Schule verbannt, wird sie von ihren Eltern zu ihrer Tante nach New York geschickt. Diese führt ein kleines Theater – das Lily Playhouse - und lässt ihre Nichte ungebremst in diese Welt eintauchen. Gepackt von dem Gefühl der Freiheit und der Faszination für die Menschen, die dort leben, schwimmt Vivian auf einer Welle von Rausch, Lust und Party. Mit ihrem Talent für das Nähen ist sie bald für die Kostüme der Theaterproduktionen verantwortlich. Sie betet ihr Freundin und Show-Girl des Ensembles Celia an und lässt sich von ihr durch das Nachtleben New Yorks treiben. Sie begegnet ihrer Stil-Ikone, verliebt sich Hals über Kopf in einen jungen Mann, erlebt Schmerz und sie begeht Fehler – einer davon wirft ihr Leben aus der Bahn und lässt sie an allem, aber vor allem an sich selbst, zweifeln. Elizabeth Gilbert hat mit „City of Girls“ eine Geschichte geschaffen, die auf schmerzliche Art und Weise zeigt, wie sehr uns Erfahrungen nachhaltig prägen und welchen Einfluss, sie auf den Rest unseres Lebens haben können. Und wie schwierig es sein kann, mit Konventionen zu brechen und Frieden zu schließen, mit der Person, zu der man geworden ist. Zu Beginn des Romans lernt man eine Vivian kennen, deren Leben sich auf einen Schlag zu einer aufregenden Achterbahnfahrt entwickelt. Vieles passiert in relativ kurzer Zeit, sie lernt unglaublich viele neue Menschen kennen und jeder Tag birgt Neues zu entdecken. Elizabeth Gilbert schafft es mit ihrem Schreibstil dieses Gefühlschaos und diese Aufregung zu transportieren, sodass ich mich als Leserin direkt in die Gefühlswelt von Vivian hineinversetzen konnte und beim Lesen selbst an der ein oder anderen Stelle schwindelig wurde und ich innehalten musste, um mich kurz zu orientieren. Vivian erzählt ihre Geschichte selbst, blickt also auf ihr Leben zurück und erzählt ihre eigene Biografie. Sie erzählt ihre Geschichte einer gewissen Angela, die direkt auf den ersten Seiten des Romans hausfinden möchte, welche Beziehung sich zwischen Vivian und Angelas Vater abgespielt hat. Allerdings musste ich lange warten, bis ich mehr über ihn erfahren konnte. Denn der größte Teil der Geschichte spielt sich ab, als Vivian 19 und 20 Jahre alt ist. Detailreich beschreibt Vivian sehr viele einzelne und intensive Szenen – sie erzählt von Abenteuern, die sie erlebt hat, von den Menschen, die ihr begegnet sind und von den Fehlern, die sie gemacht hat. Doch die Beziehung zu diesem Mann wird erst viel später des Romans thematisiert. Die Erlebnisse aus dem Jahr 1940/41 sind natürlich entscheidend für Vivians Leben, aber ich persönlich finde ich es schade, dass die Geschichte vom Rest ihres Lebens eher im Vorschpulmodus im letzten Drittel des Romans erzählt wird. Und auch die Beziehung zu Angelas Vater hätte meiner Meinung nach mehr Zeit und mehr Platz einnehmen können – vor allem, wenn der Roman mit so einem Cliffhänger beginnt, und man nur darauf wartet, wann Vivian diesem geheimnisvollen Mann begegnet. Insgesamt ist das Roman „City of Girls“ von Elizabeth Gilbert aber sehr zu empfehlen, besonders auf Englisch lässt er sich gut lesen. Er ist sehr unterhaltsam und lässt einen mitfiebern – auch wenn sich die Geschichte von Vivians Leben ab Kriegsende etwas zäh anfühlt. Aber vielleicht ist es genau das Ziel der Autorin gewesen, dieses Gefühl beim Leser zu erwecken, weil auch Vivians Lebens selbst, im Vergleich zu ihren jungen Jahren, eher zäh und unspektakulär geworden ist?

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