Profilbild von sinnesgleich

sinnesgleich

Posted on 20.10.2020

Eines Tages verschwindet der Bildhauer Jang Unhyong nahezu spurlos. Zu seinen Hinterlassenschaften zählen seine Gipsabdrücke von menschlichen Körpern und ein Tagebuch. Darin schildert er seine Suche nach Intimität und Nähe in einer Welt, in der jeder sein wahres Ich hinter einer Maske zu verstecken scheint. Das Menschen nicht immer tatsächlich die sind, die sie vorgeben zu sein lernt Jang Unhyong schon als Kind. Seine Familie scheint nach außen perfekt, hinter verschlossenen Türen ist das Miteinander der jedoch von fehlender Zuneigung und Gefühllosigkeit geprägt. Um nicht auch noch von anderen Menschen getäuscht werden zu können, versucht Unhyong daher stets hinter ihre Masken zu blicken. So entwickelt er eine enorme Faszination für Hände und glaubt an ihnen die Wahrheit viel deutlicher als an Gesichtern ablesen zu können, da Menschen weniger auf sie achten und kontrollieren. Als Erwachsener beginnt er schließlich Gipsabdrücke von den verschiedensten Menschen zu nehmen um sie ihrer Hülle zu entkleiden. Seine Begeisterung gilt vor allem denjenigen, die nicht den klassischen koreanischen Schönheitsidealen und Normen entsprechen. So wird nebenher das Leben zweier Frauen nahe der Selbstzerstörung beschrieben, die ihm in seinem Atelier Modell stehen. Die Verbindung aus Handwerkskunst, dramatischen Schicksalen und der Kritik an einer Gesellschaft die Frauen nach ihren Ansprüchen zu modellieren versucht macht Han Kangs Geschichte wahrhaftig originell. Manche Szenen sind, der Thematik entsprechend, widerlich und schwer zu lesen. Alles in allem ist die Handlung jedoch sehr atmosphärisch und intensiv. Zwischen Selbst- und Fremdbestimmung, Einsamkeit und Intimität sowie Individualität und Anpassung versuchen die Charaktere ihren Weg und Glück zu finden. Das Ende bleibt offen, was einen erstmal in seiner Abruptheit vor den Kopf stößt, dann allerdings hoffnungsvoll zurücklässt. "Deine kalten Hände" war mein erstes Buch der Autorin und hat mich wirklich begeistert. Nicht nur der Schreibstil sondern auch die besondere Handlung konnten mich fesseln. Gleichermaßen merkwürdig wie faszinierend kritisiert Han Kang mit klarer Sprache eine scheinbar makellose Gesellschaft. Ich freue mich bald ihre anderen Werke zu lesen!

zurück nach oben