DasIgno
Gerade zwei Monate im Amt, sieht sich der charismatische US-Präsident Stephen Baker mit einem umfassenden Angriff auf seine Präsidentschaft konfrontiert. Ein Unbekannter veröffentlicht eine Story nach der anderen und beschwört damit ein Impeachment herauf. Als der Erpresser plötzlich tot in seiner Wohnung aufgefunden wird, eskaliert die Lage. Maggie Costello, die bereits in Bakers Wahlkampf mitgewirkt hat und gerade ihre Stelle im Weißen Haus durch den Stabschef des Präsidenten verloren hat, gehört zu Bakers engstem Kreis und soll die Hintergründe der Erpressung ermitteln. Schnell vermutet sie Ungereimtheiten, doch je näher sie den Drahtziehern kommt, desto größer wird die Gefahr für ihr Umfeld. ›Der Gewählte‹ in der aktuellen Fassung stammt aus dem Jahr 2013, erstveröffentlicht wurde der Thriller 2011 bei Scherz, einem Imprint von S. Fischer. Im Zentrum des Thrillers steht erneut Maggie Costello, allerdings verlagert Bourne die Reihe nun thematisch stärker auf die US-Innenpolitik. Er reagiert damit auf die rasante Rechtspopulisierung der USA als Nebeneffekt bereits der Regierung Obama, die schließlich im Präsidentschaftswahlkampf 2016 gipfelte und seitdem weiter eskaliert. Dafür geht er mehr ins (hoffentlich!) Fiktionale und verzichtet auf eine breite historische Basis, wie sie seine ersten Bücher kennzeichnete. Ich muss gestehen, ich habe mal wieder geschludert, als es um die Reihenfolge der bislang vier auf Deutsch erschienenen Bände um Maggie Costello ging. Dazu kommt, dass ich ›Der Präsident‹, den dritten Band, schon als er 2017 erschien las und damals noch nicht rezensiert hatte. Also erscheinen die hier in völlig falscher Folge – wenigstens kann ich sagen, man muss die Serie nicht in der richtigen Reihenfolge lesen, die einzelnen Bücher sind in sich weitgehend abgeschlossen. Wenn es um die Handlung geht, ist ›Der Gewählte‹ gewohnt komplex und spannend. Bourne knüpft um den charismatischen Präsidenten Baker – wohl eine Reminiszenz an Barack Obama -, der ursprünglich als Außenseiter ins Rennen ging, ein verzweigtes Netz aus Intrigen und der großen Verschwörung, womit er den sog. Deep State aufgreift. Die Handlung beginnt dabei in einer recht kleinen Dimension, die sich im Fortgang aber immer weiter vergrößert. Unerwartete Wendungen sind dabei vorprogrammiert und halten die Geschichte bis zum Ende spannend. Mit Blick auf seine Figuren ist Bourne nun großzügiger. Neben Maggie, die unangefochten die Protagonistin ist, bekommen auch einige Nebenfiguren reichlich Raum für eine tiefere Charakterentwicklung. Das gilt insbesondere für Stephen Baker und seinen Chefberater Stuart Goldstein. Das tut dem Buch grundsätzlich gut. Ein wenig schade fand ich den Plot von ›Der Gewählte‹ an sich, weil Bourne sich mit seiner Handlung weitgehend in das Feld der typischen US-amerikanischen Verschwörungsthriller einreiht. Die sind zwar spannend – man denke nur an Robert Ludlum, der fast ein ganzes Lebenswerk auf dem Plot aufbauen konnte -, allerdings folgen sie auch einem recht stringenten Grundprinzip, das im Storydesign mittlerweile doch sehr einschränkt: Dem Deep State, wahlweise nur aus Geheimdiensten bestehend oder mit Beteiligung einer Geheimgruppe aus der Spitzenwirtschaft. Das Feld ist leider sehr abgegrast, da ist es schwer, noch mit etwas Neuem aufzuwarten. Allerdings muss ich natürlich auch anerkennen, dass insbesondere der politische Einfluss der Spitzenwirtschaft in den USA in den letzten Jahrzehnten gestiegen ist, erst Recht mit Blick auf den derzeitigen Präsidentendarsteller (hoppla, was war das denn?). Wie dem auch sei, ›Der Gewählte‹ lebt für mich insbesondere in der Figur Maggies. Nun möchte ich euch das Buch aber sicher nicht zerreden, denn unterhalten hat es mich schon. Als Vertreter des US-Verschwörungsthrillers ist es nicht schlecht und es ist ja auch nicht Bournes Fehler, dass ich aus dem Segment schon viel zu viele Bücher gelesen habe. Und als Fortsetzung der Reihe mit Maggie Costello gefällt es definitiv. Für Genrefreund:innen also sicher ein Tipp und, mit Blick auf die folgenden Bände der Reihe, die noch offensichtlicher an die aktuelle US-Regierung angelehnt sind, auf keinen Fall ein Grund, die Serie zu verwerfen.