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Hoppsi

Posted on 18.10.2020

Das Buch ist eine wahre Achterbahnfahrt der Emotionen. Wir befinden uns in Deutschland im Jahr 2044. Alles ist irgendwie ganz anderes als momentan und dennoch gibt es nichts was ich als unrealistisch bezeichnen würde. Der Autor Burkhard Benecken hat sich genau überlegt wie es seiner Meinung nach 2044 in Deutschland aussehen könnte. Um das noch zu unterstreichen gibt es am Ende eine Timeline von 2023 bis 2044 in der die größten Entwicklungen und Veränderungen der Zeitspannen festgehalten wurden. Beispielweise die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens oder das Verbot der Herstellung von kraftstoffbetrieben Fahrzeugen. Die Timeline hat mir persönlich sehr gut gefallen, denn so wirkt alles noch viel realistischer. Außerdem finden wir am Ende der Handlung noch das „Gesetz zur Eindämmung der Clan-Kriminalität in Deutschland“ von 1937, auch dieses wirkt sehr durchdacht und passt sehr gut in den Gesamtkontext. Doch nun Mal ganz von vorn. Die Handlung wird größtenteils aus der Sicht von Lorenz van Bergen, der als Strafverteidiger tätig ist, beschrieben. Dieser van Bergen ist so absolut nicht der Typ Mensch den ich für sympathisch halten würde. Dass muss er aber auch gar nicht sein. Die Rolle von ihm ist einfach grandios. Während seiner Prozesse wird er gefeiert wie ein Superstar. Heute noch unvorstellbar, dass ein Strafverteidiger so beliebt ist. Doch die „Gerichtsverfahren“ sehen auch ganz anders aus als heute. Sie werden live im Fernsehen übertragen, nennen sich „Justice Union“ es gibt mehrere tausend Zuschauer und es scheint nur um Geld und Einschaltquoten und weniger um Gerechtigkeit zu gehen. Denn am Ende entscheidet das Volk über die Schuld oder Unschuld, was hin bis zur Todesstrafe geht, die wieder eingeführt wurde. Lorenz van Bergen beherrscht sein Handwerk exzellent, er hat Schauspielunterricht genommen, weiß wie er das Publikum für sich gewinnen kann und boxt somit auch mal Mandanten raus die vielleicht gar nicht so unschuldig sind. Ein völlig verqueres System, was irgendwie etwas von der Atmosphäre in den Gladiatorenarenen auf sich hat und natürlich viel Showcharakter. Ein Teil der Muslime hat sich unter der Führung der Clans in sogenannte Autonome Zonen zurückgezogen, wir lernen „Neu-Essen“ innerhalb der Handlung sehr gut kennen. Van Bergen wird eines Abends vom „Clanchef“ Al-Zahidi nach „Neu-Essen“ eingeladen. Dies ist keine Selbstverständlichkeit denn niemand kann dort so einfach hinein. Die Neugier van Bergens ist geweckt und er trifft Al-Zahidi. Parallel verschwindet plötzlich der aktuelle Innenminister Deutschlands. Van Bergen ist begeistert von „Neu-Essen“, der Gastfreundschaft und dem Leben Al-Zahidis. Nach einiger Zeit werden die beiden Freunde. Als Strafverteidiger soll Lorenz dann einen von Al-Zahidis Männern vertreten, dadurch dass er den Fall übernimmt, genießt er großes Vertrauen in „Neu-Essen“. Wir lernen also zwei Welten kennen, das Deutschland das von der rechtsnationalen „Zero-Tolerance-Partei“ regiert wird und das von dem Clan geführte „Neu-Essen“. Van Bergen beginnt je mehr er in die andere Welt eintaucht, an seiner zu Zweifeln. Doch auf beiden Seiten gibt es natürlich Licht und Schatten. Es ist sehr spannend in die Welt der Clans einzutauchen. Und wie passt das Verschwinden des Politikers in den Gesamtkontext? Die Korruption ist so heftig, dass ich manchmal richtig wütend geworden bin beim Lesen. Das Buch hat mich persönlich außerdem nochmal darin bestärkt, dass man nicht jeder Meldung in den Nachrichten Glauben schenken sollte und alles kritisch hinterfraget werden muss. Ich finde das Buch unglaublich gut, da es so realistisch ist. Wir schweben mit van Bergen in der scheinbar perfekten Welt und der Fall auf den Boden der Tatsachen war hart. Burkard Benecken schafft ein Deutschland vor dem mir graut. Beim Lesen hatte ich oft dieses Ohnmachtsgefühl, welches auftritt wenn man Dinge so ungerecht findet und nichts dagegen tun kann. Der Machthunger, die Gier nach mehr Geld, die Korruption und auch die Gewaltbereitschaft sind sehr authentisch beschrieben. Am Ende wird vieles geklärt, jedoch nicht alles, vielleicht gibt es irgendwann noch einen weiteren Band. Dieses Buch wird mich noch lange beschäftigen, da es viele Gesellschaftskritische Themen anspricht, dabei keinen Blatt vor dem Mund nimmt und uns den Spiegel vorhält.

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