susan kon
Nach den ersten zwei Dritteln sieht es oberflächlich nach schöner neuer Welt aus. Bis jetzt gut vorstellbar, dass sich das Land in einigen Jahrzehnten so entwickeln könnte, technisch und gesellschaftlich. Den Menschen in den Städten geht es auch nicht schlecht. ÖPNV gut ausgebaut, medizinisch-technische Versorgung, aber auch Ausbau der Überwachung von Daten im Internet und auf Videos inklusive Gesundheitsdaten und Nachrichtenmedien. Kritische Berichte und investigativen Journalismus gibt es kaum. Der Roman ist aus der Sicht einer Journalistin geschildert. Die Lesenden vollziehen zwar ihre Rechercheschritte nach, erfahren in Rückblenden auch Hintergründe ihrer persönlichen Geschichte, aber dennoch bleibt die Erzähhaltung nüchtern, wie eine Reportage, so dass keine persönliche Nähe zur Hauptfigur entsteht. Außer der Hauptfigur sind mir bisher 2 ihrer Kolleginnen und einige Ärztinnen aufgefallen. Bisher bin ich von der Entwicklung des Recherchefalls auch nicht überrascht worden. Dennoch bleibt es spannend, wie die Autorin den Fall auflöst. Welche Rolle spielt dabei eine Jugendfreundin der Journalistin? Wie groß sind die Opfer der Eugenik, des Strebens nach perfekten Menschen? Im letzten Viertel gibt es dann doch Überraschungen. Martha, die sich um Menschen am Rande der Gesellschaft kümmert und Simona, die Jugendfreundin und aktuelle Gesundheitsministerin, arbeiten zusammen. Die Chefin der Nachrichtenagentur, bei der die Hauptfigur arbeitet, erweist sich als zugleich naiver und verzweifelter als erwartet. Zwar überlebt die Hauptfigur, aber das Gesundheitseugenikprogramm bleibt. Denn längst geht es um Macht und Vermarktung, um Geschäfte, um Expansion. Den einzigen Lichtblick bietet das Projekt von Martha. Überflutung durch Anstieg des Meeresspiegels aufgrund des Klimawandels und Epidemien werden nur als Hintergrund erwähnt, um die zukünftige Gesellschaft plausibler zu machen, sind aber kein Thema für die Handlung.