patricianossol
Wieder ist es das atmosphärische Buchcover, dass mich inspiriert, den Debütroman von Rye Curtis näher unter die Lupe zu nehmen. Für Abenteuerromane bin ich zu begeistern. Außerdem interessiert mich, wie sich dieser junge Autor in die Gedankenwelt einer alten Dame hineinversetzt. Inzwischen ist Cloris Waldrip 92 Jahre alt und blickt auf ihr Leben zurück. Sie hat sich abgewöhnt, über andere Leute vorschnell zu urteilen. „Die Leute sind, wie sie sind, ich glaube, mehr gibt es dazu nicht zu sagen.“ „Und jene Cloris Waldrip, die ich zweiundsiebzig Jahre gewesen war, wäre ich wohl auch geblieben, wäre nicht am Sonntag, dem 31.August 1986, das kleine Flugzeug, in dem ich saß, vom Himmel gefallen.“ (Auszüge aus „Cloris“) Es grenzt an ein Wunder, dass Cloris den Flugzeugabsturz überlebt. Sie befindet sich mitten in der Wildnis der Bitterroot Mountains. Keine Rettung in Sicht! Irgendwie muss sie sich in die Zivilisation durchschlagen mit nur einem Stiefel, einer Bibel und Karamellbonbons. Plötzlich hat Cloris das Gefühl, nicht allein zu sein. Irgendwo da draußen scheint ein Schutzengel ihren Weg zu überwachen. Inzwischen hat die Suche nach dem vermissten Flugzeug begonnen. Bis auf Rangerin Debra Lewis glaubt keiner an Überlebende. So macht sie sich mit einer Gruppe „Friends of the Forest“auf die Suche nach der Absturzstelle und der Vermissten. Aber will Cloris überhaupt gefunden werden? Die Buchidee ist nicht neu, aber die schrägen Charaktere verleihen der Geschichte den besonderen Charme. Manchmal ist Cloris Gedankenwelt wunderlich, aber ich mag die alte Dame, die sich beharrlich durch die Wildnis kämpft, im Plauderton über ihr Leben referiert und irgendwann sogar Gefallen an ihrem Abenteuer findet. Mit Lewis und ihrer verkorksten Welt habe ich gehadert. Nachdem sie drei Ehen in den Sand gesetzt hat, versucht sie sich die Welt mit Merlot schön zu trinken. Auch zu den anderen Mitglieder des Suchtrupps finde ich wenig Zugang. Die Charaktere wirken mit ihren Macken etwas überzeichnet. Überhaupt hat der Autor einen Hang zum Bizarren. Reißerisch beschreibt er z.B. die Leichen im Flugzeug in allen Einzelheiten. Gruselig! Rye Curtis versteht es Spannung zu erzeugen. Seine Sprache ist oft bildhaft, bisweilen sogar schwarzhumorig. Das hat mir gefallen. Wie oft bei Debütanten habe ich auch hier das Gefühl, dass der Autor zu viel Input in seine Story gepackt hat. Insgesamt hat sich Curtis mit seinen ersten Roman wacker geschlagen. Ich denke, er hat das Zeug zum Bestsellerautor. Eine bizarr unterhaltsame Abenteuergeschichte, die gelesen werden will.