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Cindy

Posted on 16.10.2020

„Normale Menschen“ war in den letzten Monaten gefühlt in aller Munde, nachdem es zum gleichnamigen Roman von Sally Rooney eine von STARZ produzierte Serie gab. Auch mich hat der Trailer in seinen Bann gezogen und so habe ich zum Buch gegriffen. Im Mittelpunkt stehen Connell und Marianne, die in einer irischen Kleinstadt aufwachsen. Er kommt aus ärmlichen Verhältnissen, ist aber an der Schule beliebt. Seine Mutter putzt für Mariannes Mutter. Sie ist die Außenseiterin und niemand möchte wirklich etwas mit ihr zu tun haben. Connell und Marianne kommen sich näher, führen eine komplizierte Beziehung, die er in der Schule verschweigt. Am College ist dann Marianne die beliebte und Connell derjenige, der keinen Anschluss findet. Die Beziehung der beiden ist Hauptbestandteil des Buches und ist nie richtig greifbar, aber dennoch ständig präsent. Connell ist der schüchterne, seine anxiety ist mit jedem seiner Dialoge spürbar. Er fragt sich, ob bestimmte Handlungen ihn zu einer bestimmten Sorte Mensch machen und fühlt sich nirgends verstanden, außer bei Marianne. Sie prägt sein Leben maßgebend, und umgekehrt ist es genauso. Zwischen den beiden herrscht eine starke Anziehung, die diese Geschichte auch so besonders macht. Sie kommen nicht voneinander los, finden immer wieder zusammen und fragen sich, ob sie gut füreinander und ob sie normal sind. Rooneys Schreibstil trägt die Geschichte. Sie schreibt zwanglos und doch poetisch. Es gibt keine Anführungszeichen. Die Dialoge gliedern sich in den Fließtext ein und untermauern die teilweise sehr gedrückte Stimmung des Romans. Sie verleiht beiden Protagonisten eine starke Persönlichkeit. Marianne wächst in einer Familie auf, die stark von Gewalt beherrscht ist und ihr keine Liebe entgegenbringt. Rooney zeigt sie als starken und dennoch zerbrechlichen Charakter. Connell ist sehr sanft und selbstkritisch. Es fällt ihm schwer, seinen Platz im Leben zu finden. Das Bild, was Rooney von diesen beiden jungen Menschen zeichnet, ist absolut authentisch und überzeugend. Sie probieren sich aus, sie hinterfragen sich, sie engen sich ein, sie zweifeln und scheitern. Es schmerzt teilweise stark, ihren schmucklosen und klaren Gedanken zu folgen. Sie sind hart zu sich aber auch schonungslos ehrlich. Man fühlt sich als Leser zwischen den beiden verloren, genauso wie die beiden selbst oft verloren sind. Über all dem hängt auch etwas Bedrohliches. Beide sind teilweise sehr instabil und man hat permanent Angst, dass etwas Schlimmes geschieht (zumindest ging es mir so). Andererseits kann man das Buch auch nicht zur Seite legen. Der Schreibstil ist fesselnd und auch die Charaktere so nahbar unnahbar gezeichnet, dass es wehtut. Obwohl der sexuelle Aspekt in der Beziehung der beiden eine große Rolle spielt, liegt der Fokus nicht darauf. Rooney erkundet vielmehr, warum sie sich so verhalten und warum sie bestimmte Dinge denken. Beide sind voll von emotionalem Ballast und sie erkunden diesen im Laufe des Buches. „Normale Menschen“ ist eine sehr fesselnde und teilweise beklemmende Geschichte über zwei junge Leute auf der Suche nach sich selbst. Die Frage danach, wie gut man einander kennen kann, wird brutal ehrlich erforscht, aber dennoch einfühlsam wiedergegeben. Hier gibt es kein gut oder schlecht, sondern viele Facetten, die dazwischen liegen. Connells und Mariannes Geschichte hallt lange nach und regt zum Nachdenken an. Vielleicht hat Rooney mit „Normale Menschen“ auch eines der realistischsten Porträts unserer Zeit gezeichnet.

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