miss_pageturner
Ich schaue ja gern auch mal über meinen Tellerrand hinaus und daher habe ich mir vorgenommen, ab sofort jedes Jahr min. ein Buch aus der Longlist des deutschen Buchpreises zu lesen. Das Buch, auf das meine Wahl fiel, hat es sogar in die Shortlist geschafft. Zurecht, wenn ihr mich fragt. Drei Männer, eine Insel und ein Tempel Das Buch versetzt uns ins Jahr 1764. Auf der kleinen Insel Elephanta (von den Portugiesen so, nach einer Elefantenstatue auf der Insel benannt), treffen zwei Männer aufeinander, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Zum einen Carsten Niebuhr, ein deutscher Forschungsreisender, dessen Expedition den Auftrag hat einen ganzen Fragekatalog an biblischen Fragen in Arabien zu klären. Doch Niebuhrs Mitreisende sterben alle an Fieber und ihn selbst verschlägt es ebenso fiebergeplagt nach Bombay und dann auf die kleine Insel Elephanta. Dort trifft er auf den persischen Astronomen Musa al-Lahuri und dessen Diener Malik. Die beiden warnena uf den Weg nach Mekka als eien Windstille sie auf der Insel stranden lies. Als dann das Schiff ohne sie abfährt, müssen die drei sich wohl oder übel für einige Zeit arrangieren. Bei 168 Seiten, hält sich die Autorin nicht lange mit Vorgeplänkel auf und konfrontiert sowohl den Leser, als auch ihre Figuren zügig mit dieser Situation. Was folgt, sind Tage auf der Insel voller Gespräche und Annäherungen. Das klingt im ersten Moment vielleicht langweilig, ist es aber überhaupt nicht, denn Christine Wunnicke beschreibt dieses Zusammentreffen der Kulturen sehr pointiert und amüsant. Als Erstes wäre da natürlich die Sprachbarriere. Meister Musa spricht Sanskrit, Persisch, Arabisch, Griechisch und Latein, während Niebuhrs Arabisch eher bruchstückhaft ist. Trotzdem schafft man es irgendwie sich zu verständigen, jedoch nicht ohne Missverständnisse, was wieder zu fast schon ulkigen Gesprächen führt, z.B. wenn Niebuhr versucht ein deutsches Sprichwort ins Arabische zu übersetzten oder Meister Musa einfache befehle im umständlichen Sanskrit ausdrücken muss. Man reden häufig aneinander vorbei und finden doch immer wieder auch Gemeinsamkeiten. Doch es sind natürlich nicht nur sprachliche, sondern auch kulturelle Missverständnisse, die Thema dieses Buches sind und unter den beiden Männern für Verwirrung sorgen. Nicht zuletzt das titelgebende Sternbild, welches in Europa als Kassiopeia gesehen wird, in Indien hingegen Teil einer viel größeren Konstellation ist und das "Himmels-W" nur die bemalte Hand darstellt. Sehr treffend stellt Niebuhr fest: "Wir glotzen alle in denselben Himmel und sehen verschiedene Bilder! [...] Wir glotzen nach oben und erfinden große Gestalten und hängen sie in den Himmel. Ich eine Frau und du eine Hand und was weiß ich, was andere sehen. Und dann gibt es Streit. Es ist zum Erbarmen!" (Die Dame mit der bemalten Hand, Christine Wunnicke, Berenberg Verlag, S. 96 (Ebook Ausgabe)) Eine Feststellung, die man in ihrer Aussage noch heute bedenkenlos unterschreiben kann. Abgesehen von diesem gelungenen Aufeinandertreffen der Kulturen, ist Wunnickes Roman aber auch sprachlich einfach schön. Das merkt man besonders, wenn Meister Musa eine seiner Geschichten erzählt, in die man regelrecht versinken kann. Der ganze Roman fühlt sich dabei an, wie eine flüchtige Momentaufnahme. Eine kurze Begegnung, die eine Zeit widerspiegelt, in der Wissen und Glaube sich erst noch arrangieren müssen und das Weltbild der Menschen sich noch im Umschwung befindet. Genau zu dieser Zeit erleben wir ein Treffen, flüchtig, wie ein Traum und vielleicht war es das auch nur. Man weiß es nicht. Fazit: Die Dame mit der bemalten Hand ist eine sehr amüsante Momentaufnahme des Aufeinandertreffens zweier sehr unterschiedlicher Menschen und Kulturen, Missverständnisse inklusive. Eine kurze poetischer Erzählung, von der an am Ende nicht genau weiß, was wahr war oder nicht, die den Leser aber trotzdem mit einem guten Gefühl zurücklässt und die ich gern gelesen habe.