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bookflower173

Posted on 13.10.2020

Die Unvermeidlichkeit der Unschärfe im Leben "Wenn sie heute an diese Begebenheit zurückdachte, kam es ihr vor, als brauchte es diese Ferne, um jemanden sehen zu können. Näherte man sich einander an, nahmen Unsicherheit und Unschärfe zu." (S.188) Wir lernen eine Familie aus dem Banat kennen und begleiten einzelne Figuren aus vier Generationen in einschneidenden Lebensphasen. Die Lebenswege der sieben Personen trennen sich und finden auf schicksalhafte Weise wieder zusammen. Dabei werden viele wichtige Themen und Gefühle behandelt, die unser Leben und uns Menschen ausmachen. Verlust, Neuanfang, Liebe, Freundschaft, Familie, Trauer, Glück, Sehnsucht. Mit einer wunderschönen und unglaublichen Sprache bringt Iris Wolff noch so schwierig zu fassende Gefühle und Empfindungen auf den Punkt. Die Natur- und Farbbeschreibungen sind bezaubernd und schaffen eine träumerische Atmosphäre. Es gibt inhaltliche, emotionale, zeitliche, perspektivische und gedankliche Sprünge, sodass der Leser mit voller Aufmerksamkeit lesen muss, um die Lücken selbstständig zu füllen. Dadurch gibt es aber auch viel Platz für Interpretationen und eigene Gedanken, sodass der Roman auch über das Ende hinaus nachhallt und in Erinnerung bleibt. Das Konzept der Unschärfe zieht sich durch den gesamten Roman und wurde sehr gut umgesetzt. Gerade die Sprünge bezüglich Gedanken etc. zeigen, dass ein Teil des Menschen den anderen immer verborgen und fremd bleibt. So ging es dem Leser hier auch. Man hat sich den Personen nie unglaublich nahe gefühlt. Es blieb eine Distanz die unüberbrückbar ist und im Leben einfach dazugehört. Das ist die Unschärfe der Welt. Aus mehreren Perspektiven verschiedener Personen ließ sich ein immer schärfer werdendes Bild von jeder einzelnen Person machen, sodass man als Leser erst im Verlauf des Romans die sieben Personen immer besser kennenlernt. Und zwar aus der Ferne. Daher fasst das Zitat zu Beginn das Konzept des Romans sehr gut zusammen. Zudem wird deutlich, was Zufälle im eigenen Leben bewirken und wie sie es beeinflussen können. Zufällige Bekanntschaften können zu wunderbaren Freundschaften führen. Dass sich die einzelnen Lebenswege wieder schneiden ist nur zufällig passiert und das Schicksal dieser Familie hätte ganz anders verlaufen können. Der Roman richtet auch einen Appell an uns. Wenn wir etwas wollen, dann dürfen wir es uns nicht einfach nur wünschen, sondern müssen etwas dafür tun. "Wir hätten einander verlieren können. Durch Freiheit, Gewöhnung, Zufall, Zeit. - Wenn du dir also etwas wünschst, sag es. Verlass dich nicht darauf, dass es zu dir kommt, oder bei dir bleibt." (S.213) Fazit: Der Roman hat mich völlig begeistert, da er sehr viele Themen behandelt, die in unserem Leben eine wichtige Rolle spielen. Ich verspüre den Wunsch, das Buch weitere Male zu lesen, da ich fest davon überzeugt bin, dass man dann noch weitere neue Aspekte und Interpretationen finden wird. Das Konzept der Unschärfe wurde genial umgesetzt und die Sprache verzaubert einen auf besondere Weise.

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