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stricki

Posted on 10.10.2020

Endzeitstimmung "Bereit zum Überleben" steht hinten fett in giftigem Grün auf dem Buchumschlag. Genau darum geht es in dem Buch. Noack kämpft ums Überleben, seine Kollegin, sein Sohn. Der es nicht schafft. Die unzähligen Wutbürger, die die Tageszeitung mit Hasskommentaren überfluten. Die Noack einzeln löscht, jeden neuen Tag, Vollzeit, von vorn. Und dann sind da noch die "neuen Rechten", die Reichsbürger, die auf Stimmenfang gehen und marodierend durch Berlin ziehen. Wären wir doch weiter weg von der Realität, aber so wie es aktuell ist, fährt es einem nur eiskalt den Rücken runter. Noack ist Prepper. Seine Wohnung ist mehr Materiallager gegen den Notstand, andere Menschen lässt er nicht mehr in seine Wohnung, doofe Kommentare dazu braucht er nicht. Er ist eher Einzelgänger, er pflegt lockeren Kontakt zu ein paar Kollegen, nur sein Sohn ist sein einziger "richtiger" zwischenmenschlicher Kontakt. Wenn er kann, macht er Sport, um sich fit zu halten. Joggen, Schwimmen in der Spree. Überall in Berlin hat er kleine Materiallager für den Ernstfall. Abgefahrene Idee. Noack hat auch einen echt miesen Job.Hasskommentare löschen, Hunderte, Tausende täglich. Tag und Nacht. Und das ist ja real, diese menschlichen "Internet-Putzkolonnen" gibt es. Content Moderators, ein unterbezahlter Job, der krank macht. Aber Noack erträgt es stoisch, er lässt die rassistischen und gewaltverherrlichenden Kommentare durch sich durch rauschen. Johaness Groschlupf lässt den Leser teilhaben. Bei mir sind die Kommentare leider hängen geblieben, und nicht durch gerauscht. Ich schüttel mich jetzt noch und sage mir, das ist eine schwerst frustrierte Minderheit, die mit mir nichts zu tun hat. Ich hoffe, dass es eine Minderheit ist. Und dass es diesen Menschen bald besser geht, ohne dass Blut fließt. Groschupf lässt Blut fließen. Er lässt die Gewalt eskalieren. Er lässt die Wütenden von einer neuen Welt träumen. Und man weiß bald nicht mehr so genau, wo Noack jetzt bei dem Ganzen steht. Dazwischen ein türkischer Kioskbesitzer mit Herz. Und ein Kollege, dem seine Tischtenniswelt über alles geht. Unglaublich gut geschrieben. Was für ein Szenario! Dieses Buch hallt dermaßen nach. Nein, ich werde jetzt kein Prepper. Aber es hat mich enorm aufgerüttelt und zum Nachdenken gebracht.

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