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gwyn

Posted on 10.10.2020

Große Hotelbunker kann ich nicht leiden, schon gar keinen Pauschaltourismus. Ich freue mich immer, wenn ich kleine, ausgefallene Herbergen finde, die Charme besitzen. Meist bekommen die Reisen durch diese Übernachtungen ein besonders Highlight. Auf der Britischen Insel findet man eine Menge dieser Häuser. Es muss nicht unbedingt komfortabel sein, nur gemütlich und charmant. Auch die Paradors in Spanien bieten sich an. In der Regel hat man Glück, manchmal ist es einen Tick zu skurril, plüschig oder nerdig – egal – nur selten gibt es einen Reinfall. In Coronazeiten kann man das Fernweh mit Büchern stillen und sich anschauen, was in der Zukunft auf einen warten könnte. Da fiel mir «Tiny Hotels» ins Auge. «Es waren einmal vier Freunde, drei Investmentbanker und ein Pulitzer-Preisträger … die bauten sich in den Bergen von Wyoming ein Ferienhaus. Ein ziemlich imposantes.» «Jackson Hole», ein weitläufiges Chalet ist ein Boutique-Hotel in einem Skigebiet im Grand-Teton-Nationalpark, Wyoming, USA. Acht große Suiten mit zwei Schlafzimmern auf 140 qm, bzw. vier Schlafzimmer auf 470 qm, die Seilbahn liegt gleich vor der Haustür. Gemütlich eingerichtet, ganz persönlich durch die Eigentümer. Tiny bedeutet eben nicht unbedingt, dass die Zimmer sehr klein sind – sondern dass hier auf kleine, individuelle Häuser wert gelegt wird. Dies ist die erste Herberge, die vorgestellt wird. Hotels? Doch eher Herbergen, B&B’s, Gästehäuser, oder wie auch immer man diese Übernachtungsmöglichkeiten bezeichnen mag. Klein und gemütlich, mit Charme, Eleganz, Kitsch, ungewöhnlich - 40 bezaubernde Angebote weltweit, die jeweils nur über einige wenige Zimmer verfügen, ausgefallen eingerichtet und gestaltet. Wer auf kitschigen Prunk steht, sollte in Miami Beach in der alten Versage Villa übernachten, «Villa Casa Casuarina». Gianni Versage entdeckte das Haus, das in Anlehnung an den Palast von Christoph Columbus im mediterranen Stil 1930 erbaut wurde. Damals verfallen, kaufte der Modedesigner das Haus und baute es aufwendig um: «Vergoldetes Holz, schillernde Mosaike – den Pool schmücken tausende italienische Goldkacheln.» Versage wurde auf den Treppen dieser Villa erschossen. Ein historischer Ort, heute ein Boutique-Hotel ziemlich prunkvoll, bunt und kitschig – eben Versage. Völlig gegensätzlich das «Le Collatéral» in Arles, Frankreich: Auf achthundert Quadratmeter Waschbeton, auf den dicken Wänden einer ehemaligen Kirche gebaut, deren Fundamente aus dem 6. Jahrhundert stammen, sind vier Zimmer, ein Salon und eine Bibliothek entstanden. Von der Dachterrasse aus blickt man über die Stadt. Schlicht, Beton, Metall, Holz - dazwischen moderne Kunst. Wie wäre es mit einer Übernachtung in einem Schäferwagen in Yorkshire, England? Britischer Plüsch im «40 Winks», zwei Zimmer im Town-House in London: «Liegt irgendwo zwischen Palazzo und landhausgewordener Opiumhöhle, zwischen Alice im Wunderland und Marie-Antoinette.» Übernachtung in einem Brückenwärterhäuschen in Amsterdam, in einer alten Bischofskanzlei in Andernach, Deutschland, vielleicht in einem Baumhaus in der Nähe von Kassel oder in Arlena di Castro in Italien. Eine alte Waliser Villa in Vals in den Schweizer Alpen bietet vier Zimmer, in Kopenhagen in Dänemark ein Zimmer über einem Café: «Aber dieser Ort hier oben ist wie eine kleine Höhle.» – oder in Litløya im «Litløy Fyr» übernachten, einem Leuchtturm im Vesterålen-Archipel mit Blick auf die nahe gelegenen Lofoten. 68 Meter hoch liegt eine Suite im Prager Fernsehturm, «das zweithässlichste Gebäude der Welt», doch die Suite kann sich sehen lassen, Chauffeur mit Limousinenservice steht zur Verfügung. Das Herrenhaus im Jugendstil «Casa Poppea» in Brăila, Rumänien, wurde 1900 von einem griechischen Kaufmann erbaut, erstrahlt heute im alten Glanz. Die Höhle des Schriftstellers findet man als eine der sieben Suiten im «Riad Mena» in Marrakesch – im «Giraffe Manor» in Nairobi, Kenia, stecken bereits um 6:30 Uhr die Giraffen ihre Köpfe durch das Fenster und in Randa finden wir eine besondere Form von Lodgen. In Namibia stehen mitten in der Wüste so etwas wie gestandene Schiffe. In Tasmanien, Australien, führt ein Steg weit hinaus auf einen See, ein Art-déco-Gebäude mit 12 Zimmern. Diese Häuser und eine Menge mehr an Inspiration macht Lust auf das Reisen, individuelles Reisen an Orte der Gastlichkeit. «Tiny Hotels» enthält eine exklusive Auswahl von 40 Übernachtungsmöglichkeiten, verteilt über die ganze Welt. Über 200 Fotos machen Lust, diese Orte zu besuchen. Einige der Häuser gehören ins Luxussegment, andere sind gar nicht so teuer. Aber vielleicht regt das Buch an, es mal selbst in die Hand zu nehmen! Nach Boutique-Hotels suchen und B&B, da findet sich manche Perle. Dieses Buch ist ein kleines Kunstwerk, es macht schlicht Spaß, sich die Fotos anzuschauen. Florian Siebeck ist freiberuflicher Journalist, Fotograf und Autor. Er lebt in Frankfurt am Main, doch seine Reiselust führte ihn bereits in 70 Länder dieser Welt. Derzeit arbeitet er als Redakteur für AD Architectural Digest.

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