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gwyn

Posted on 10.10.2020

Der Anfang: «Bei uns zu Hause gab es vier Schlafzimmer. Meines. Das meines Bruders Gilles. Das meiner Eltern. Und das der Kadaver.» Eine Reihenhaussiedlung, das Haus am Waldesrand. Die Mutter tonlos, reizlos, ehrerbietig, immer unter dem Radar, unscheinbar. Der Vater, ein «Koloss», laut und unübersehbar, stark, mächtig, brutal. Neben TV schauen und Whisky liebt er die Jagd. Die Mutter braucht er nicht zu jagen, die hält still, wenn er sie schlägt, die Tochter bezeichnet sie als «Amöbe». Das Jagdzimmer ist seine Pracht, das Zimmer der Kadaver. Der Vater erzählt gern, wie er diese ausgestopften Tiere erlegte – vom Elefanten nur der eine Zahn – neben Hirschgeweihen und Wildschwein hängen dort Zebraköpfe, Antilopenschädel, ein Löwe, der seine Zähne in den Hals einer kleinen Gazelle schlägt – und die Hyäne, die die Erzählerin zu lachen spürt, deren Blick sie überall hin verfolgt über den ganzen Tag. Angst beherrscht dieses Haus, die Angst vor dem Vater. Die namenlose Erzählerin will sich nicht unterkriegen lassen. Sie hat nur ein Ziel: Heraus aus diesem Haus – und den Bruder retten, bevor er auch verroht. Sie ist gut in der Schule, muss das herunterspielen, denn der Vater darf nicht alles wissen, schon gar nicht, dass sie das Geld, das sie beim Babysitten verdient, in ihre Zukunft investiert: Privatunterricht bei einem Professor. Denn sie will eine große Physikerin werden. Eines Tages geschieht etwas Schreckliches, dass alles verändern wird. Jetzt erst recht! Doch die Hölle steht bevor … «Dieses Tier wollte meinen Vater verschlingen. Und all die, die mir Böses wollten. Und es verbot mir zu weinen, und es brüllte so laut, dass es die Finsternis zerriss. Ich war keine Beute mehr. Damit war Schluss. Ich war auch kein Raubtier. Ich war ich, und dieses Ich war durch nichts totzukriegen.» Ein Coming-of-Age-Roman, brutal, wüst und doch so verletzlich – denn das eine schließt das andere nicht aus. Ein Pageturner, der den Leser vom ersten Satz an hineinzieht und nicht loslässt. Zornesausbrüche, Jagdszenen, Angst, List und schleichender Widerstand, ein Mädchen das weiß, was sie will, doch gleichzeitig so sehr gefangen ist. Ein schräger Roman, brutal und wütend, zurückgezogen, in ständiger Angst, häusliche Gewalt, und so mutig, sich dem entgegenzustellen – immer in dem Gedanken, dass die Hyäne kommt, sie alle zerfleischt. Eine distanzierte Perspektive mit Versatz, im Galopp geschrieben. Klasse! Einfach durchreiten durch den Roman! Es lohnt sich! Ein Gänsehautroman. Adeline Dieudonné, 1982 in Brüssel geboren, wo sie mit ihren beiden Töchtern auch heute wieder lebt, ist von Beruf Schauspielerin. Nach mehreren preisgekrönten Erzählungen und einem erfolgreichen One-Woman-Theaterstück hat «Das wirkliche Leben» die Herzen der französischsprachigen Leser im Sturm erobert: Das grandiose Romandebüt stand monatelang auf der französischen Bestsellerliste, wurde mit 14(!) Literaturpreisen ausgezeichnet und wird in 20 Sprachen übersetzt. Nominierungen: Prix Goncourt des lycéens, Prix Renaudot; Auszeichnungen: Prix Renaudot young adult, Goncourt List, Belgium’s Choice, Goncourt List, Italy’s Choice

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