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JulisTeestübchen

Posted on 9.10.2020

Tristan ist als ein Mitglied der FiftySeven aufgewachsen, einer schwerkriminellen Bande aus der amerikanischen Stadt Miller. Er ist nicht gerne ein Mitglied, aber die Gang ist seine einzige Chance in einer Welt voller Bandenkriege, Drogen und Gewalt zu überleben. Eines Tages zieht Riley in die Stadt, die das genaue Gegenteil von Tristans Welt zu sein scheint. Ihm ist klar, er muss sich zu ihrem eigenen Schutz von ihr fernhalten - doch das ist leichter gesagt als getan. Im Fokus des Romans steht das Thema der Bandenkriminalität, ein wie ich finde für das Genre durchaus untypisches Thema, aber zugleich auch spannend. Die Autorin liefert uns hier durch Tristans Augen erschreckende Eindrücke in eine Welt voller Gewalt, Leid und Hass, die so in Teilen Amerikas tatsächlich Realtität ist. Das schreibt auch Ginger Scott in ihrer Danksagung, die selbst Gangmitglieder aus ihrer Schulzeit kennt. So schildert sie in "Lips don't lie" zum Teil auch reale Geschichten von Gangmitgliedern. Dementsprechend wundert es kaum, dass mich Tristans Sicht der Geschichte definitiv packen konnte. Das Buch ist abwechselnd aus seiner Sicht und aus der Sicht der weiblichen Protagonistin Riley geschrieben. Und mit ihr kommen wir nun auch zu dem großen ABER. Mir ist in einem Buch selten eine anstrengendere, nervigere Protagonistin als Riley begegnet. Riley hat meiner Meinung nach nicht viele gute Eigenschaften: Sie ist egoistisch, stur, sehr naiv, nicht kritikfähig und gleichzeitig davon überzeugt, dass ihre Meinung und ihre Entscheidungen die einzig richtigen sind. Sie ist absolut keine typische Young Adult-Protagonistin, ist sie doch eher weniger das "typische Mädchen", sondern rasiert sich sogar freiwillig die Haare ab, um von den Jungs als Kumpel akzeptiert zu werden. Das war durchaus mal erfrischend anders, machte ihren anstrengenden Charakter jedoch nicht angenehmer. Leider erschließt sich mir nicht wozu eine eigentlich gute Geschichte mit einem interessanten männlichen Protagonisten eine derart dominante weibliche Protagonistin braucht, die ihrem männlichen Kollegen im negativen Sinne die Show stielt. Natürlich gibt es auch eine durch und durch intensive Liebe zwischen den beiden, wobei Riley für Tristan wohl schon einer Gottheit gleich kommen muss, so sehr perfektioniert er sie. Riley dagegen zeigt mal wieder ihre ambivalente Ader, indem sie zu Beginn des Romans noch der festen Meinung ist überhaupt keine große Lust auf Jungs, Beziehungen und Co. zu haben (ist sie doch auch noch Jungfrau und hat außer Küssen beim Flaschendrehen noch keine Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht gemacht), lässt dagegen aber bei der erstbesten Gelegenheit ihr Höschen für den Bad Boy Tristan fallen. Selten konnte ich mit einer Protagonistin weniger anfangen als mit Riley. Meine Drei-Sterne-Bewertung beruht daher zum einen auf Rileys Charakter, zum anderen auf der Genrewahl der Autorin für das spannende Thema der Bandenkriminalität. Ein eigentlich so schockierendes, reales, bewegendes, aber auch spannendes Thema passt in einige Genres und gäbe dort eine super Story ab, doch reingequetscht in einen Liebesroman mit dem Young-Adult-Stempel aufgedrückt? Das nimmt dem Bandenkriminalitätsthema viel an Glaubwürdigkeit, was ich äußerst schade finde. Dieses Genre kann dem Thema einfach nicht gerecht werden. Es mit einer Liebesgeschichte zu verbinden ist ja ok, aber sie so in den Fokus zu rücken, zieht das eigentlich interessante Thema ein wenig ins Unpassende. So viel Potenzial, nur leider nicht gut genutzt. Schade.

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