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JulisTeestübchen

Posted on 9.10.2020

Sam hat gerade seinen Job, seinen Ruf in der Marketingbranche und zudem noch seine Freundin verloren. Als einzigen Ausweg sieht er die Flucht auf's Land zu seiner Großmutter Henriette, um sie um einen Kredit zu bitten mit dem er sich selbstständig machen kann. Jedoch hatten die beiden seit Jahren keinen Kontakt mehr und Sam weiß nicht, was ihn auf dem Gestüt seiner Großmutter erwarten wird. Denn Henriette stellt ihre eigenen Bedingungen für den Kredit - so muss Sam eine Weile für die Organisation Glücksmomente arbeiten, die Henriette in Gedenken an ihren verstorbenen Mann gegründet hat. Auf dem Gestüt trifft Sam auch auf Henriettes Angestellte und Freundin - die junge Lillan, die mit ihrer Tochter in einem Kutscherhäuschen nahe des Gestüts wohnt. Und Sam entgeht dabei nicht, dass Lillan irgendwie besonders ist, doch nicht nur wegen ihres Temperaments, sondern auch weil Lillan taub ist. Dieser Roman entpuppt sich früh als richtige Wohlfühllektüre, denn er fährt nicht nur mit der harmonischen Kulisse des Gestüts mitten auf dem Land und umgeben von nichts als Natur auf, sondern auch mit sehr besonderen Charakteren. Sam ist alles andere als ein Machotyp, auch wenn er ein Großstädtler ist und sich zunächst auf dem Land ganz fehl am Platz fühlt. Doch er beweist schnell, dass er ein großer Sympathieträger ist. Seine Großmutter Henriette ist ebenso absolut liebenswert! Sie ist das Herzstück dieses Romans und bringt durch ihre Lebhaftigkeit auch jede Menge Humor in die Geschichte. Doch nicht weniger besonders ist Lillan, die mit ihrer Gehörlosigkeit ihre eigene Gewichtung in der Geschichte hat. Ihre Tochter Ida ist ein richtiger Sonnenschein, den man in der Erzählung absolut nicht missen möchte. Wie schon angedeutet, dreht sich dieser Roman jedoch nicht nur um die Liebe. Die Gehörlosigkeit von Lillan nimmt hier auch thematisch einen relevanten Raum ein. Zum einen rührt daher eine sehr besondere Liebesgeschichte, die beweist, dass es vollkommen egal ist, ob ein Mensch hören kann oder nicht. (Zu ergänzen ist hier, dass Lillan perfekt sprechen kann, da sie ihr Gehör erst in ihrer Jugend verlor.) Zum anderen begreift man als Leser zu verstehen, wie es sein muss, wenn man niemals das Lachen seiner Tochter hören können wird, niemals wieder die vielen Geräusche der Natur, wie das Plätschern des Wassers und das Quaken der Frösche. Doch Sam findet Wege Lillan all diese Töne auf seine eigene Weise näher zu bringen. Lillans Lebensgeschichte hat mich daher ebenso sehr berührt wie die Liebe in diesem Roman. Ich finde es toll, dass die Autorin auch vor so einem Thema keinen Halt macht, sondern stattdessen einfühlsam und authentisch von Gehörlosigkeit erzählt. Natürlich überrascht jedoch der Aufbau der Geschichte nicht: Kurz bevor es ein großes Happyend gibt, kommt noch mal jede Menge Drama in die Geschichte - und genau dieses Drama hätte dem Buch beinahe einen Stern in meiner Bewertung gekostet. Denn Lillan beginnt mit mal sich gar nicht mehr so rational wie sonst zu verhalten, ganz im Gegenteil. Sie reagiert maßlos über und bezieht mit mal alles auf sich - hier wird dann auch deutlich wie schnell es zu Missverständnissen kommen kann, wenn man nur Lippenlesen, jedoch nichts hören kann. Es geht so weit, dass sie aus Verzweiflung sogar ihre Tochter anlügt, was mich schon ein wenig enttäucht hat. Doch Leonie Lastella hat diese Wendung noch einmal retten können, indem sie bewiesen hat, dass Lillan doch einen reflektierten Charakter hat, der am Ende zu seinen eigenen Fehlern steht und diese auch einsieht. So konnte mich am Ende auch die dramatische Wendung überzeugen. Unterm Strich also: authentisch, authentisch und nochmals authentisch! 5 Sterne sind vollkommen verdient.

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