Patricia
Man könnte sagen, das erste Drittel habe ich sachlich nüchtern, das zweite angetrunken und im Rausch und das dritte gemütlich auf der Couch gelesen. Ja, so lässt sich die Geschichte wunderbar aufteilen. Dem Einstieg muss man zuallererst eine Chance geben. Die Umstände werden geklärt, Markus erzählt, wie es überhaupt dazu kam, dass er seinem Verleger das Auge ausgestochen hat. Wenn man die ersten Seiten gelesen hat, merkt man: der hat das so oder so irgendwie verdient. Blödes Arschloch. Seltsame, geradezu bedrohliche Dinge geschehen um den Meister des Schreckens herum, der Schreibfluss wird dadurch allerdings nur angekurbelt. Seltsamer Kerl denkt ihr? Dann wartet‘s mal ab. Das war ja noch der sachlich-nüchterne Teil. Der Suffpart war nicht nur von meinem, sondern auch von Markus‘ Alkoholgenuss gekennzeichnet. Wäre ich im Unteren Reich mit lauter orkähnlichen Kreaturen auf einem Schiff, das auf einem Fluss aus Blut dahinschippert, ich würde wohl auch ordentlich einen kippen. Hut ab für die Beschreibungen der Welt und die Tolkienanspielungen, das hat der Vorstellungskraft noch mehr Inspiration geliefert. Hier wird es dann auch zunehmend ekliger, verstörender und auch gefährlich. Jedenfalls für Markus. Betrogen vom einzigen Vertrauten auf diesem Horrortrip ins Zentrum der Welt, muss er Gräuel über sich ergehen lassen und mit ansehen, wie Menschen getötet werden. Ist das noch Realität oder kann das weg? Melpomenus zeigt sein wahres Gesicht und seine Absichten, die hinter dieser ganzen Reise stecken. Der gemütliche Teil spielt wieder in der „normalen“ Welt (was bitte ist schon normal) und man fragt sich langsam, ob Markus‘ Abenteuer nur ein Hirngespinst war, ein fiebriger Komatraum? Es kommt, wie man sich denken könnte, zu diversen eigenartigen Begebenheiten und einem Ende, das irgendwie plausibel klingt. Markus macht eine beachtliche Wandlung durch vom typischen Versager und Alkoholiker zu einem selbstbewussten, optimistischen Schriftsteller, der sich durchsetzen will. Bringt ihm letzten Endes zwar nicht viel, aber ich bin stolz auf ihn. Das Buch besitzt eine autobiografische Note, versucht der Herr Krüger doch verzweifelt, sich ein letztes Mal an seine Leserschaft zu wenden und sich zu erklären. Das bringt ihm vermutlich noch viel weniger, außer dass alle glauben, er hätte endgültig einen an der Waffel und es fehlten ein paar Porzellantassen seiner Exfrau im Schrank. Das erklärt jedoch den Sprachgebrauch und den Wortlaut. Die Geschichte ist einzigartig, und erinnert mich von der Art her ein bisschen an den „Nachtwandler“ von Sebastian Fitzek. Da zweifeln Leser und Charakter letzten Endes auch an sich und der Realität im Buch. Horror-Fantasy ist eine tolle Verschmelzung zweier Genre, die sich gegenseitig ergänzen können, und das ist hier wirklich gut gelungen. Es ist eine Achterbahnfahrt, kombiniert aus ruhigen und aufregenden Stellen, vermischt mit kurzen Erzählungen, die mir sehr gut gefallen haben. Unter der Decke habe ich mich nicht verkrochen, dafür war mir das Buch dann doch zu seicht. ;) Aber seichter Horror ist dafür etwas für jedermann/ jederfrau.