hermunduh
Mit Cowboygräber sendet Roberto Bolaño einen Gruß aus dem Totenreich Die treue Bolañogemeinde ist uneins, was sie von der Fülle an aus dem Nachlass gezauberten Bücher haten soll. Hat mich die vorletzte Entdeckung Monsieur Pain voll Entrüstung zurückgelassen, sind mir die soeben verschlungenen Cowboygräber fettes Labsal in meinem traurigen Lesealttag ohne den Meister. Fragt mich nicht, ob die Texte von ihm stammen, oder ob der Nachlassverwalter über ein Textprogramm verfügt, das bolaneske Zauberwerke im Sekundentakt ausspuckt… Ich fand die drei Erzählungen großartig und habe nach der Lektüre viele Stunden um das Buch getanzt. Ein sehr junger Arturo Belano steigt mit Mutti und Schwester ins Flugzeug nach Mexiko, um fortan beim fernen Vater ein besseres Leben zu führen. In Chile ist Allende gestürzt und die Soldateska des Faschisten Pinochet macht jagt auf alle fortschrittlichen Kräfte. Die Freuden der Jugend und der romantische Spleen nach der reinen Lyrik bezaubern im lockeren Erzählreigen, dem bei aller surrealen Beglückung der kleine Makel des fragmentarischen anhaftet. Anyway, lasst uns nicht päpstlicher sein als der Pabst! In den Geschichten switcht Roberto Bolaño souverän durch Raum und Zeit. Uns begegnen Protagonisten späterer Werke, die Storys sind reich an Anspielungen, schlingern allerdings nie ins banal-absurde wie in Monsieur Pain. Natürlich kommen diverse vergessene Dichter und Dichterinnen vor, auch das Motiv des mit einem Jagdflugzeug dichtenden Fliegers Cool, cooler am coolsten – mindestens bei der Coverwahl beweist Hanser mehr Gespür als Fischer. Beide Verlage teilen sich die Resteverwertung des Bolanoschen Werkes, doch Hanser hat eindeutig die besseren Grafiker am Werk. Wo Fischer mit Koloriten kleckts, zeigt Hanser eine trockne Landschaft mit Pferden, was listig u.a. auf Bolanos Bannerträgerschaft der lateinamerikanischen Literatur hinweist. Roberto Bolaño verstand sein gesamtes Werk als Liebesbrief an seine „verlorene“ Generation lateinamerikanischer Intellektueller, in Cowboygräber torpediert er uns zurück ins Jahr 1973, als ein von den USA unterstützter Faschist das Gespenst der Freiheit unter seiner Stiefelspitze zertrat.