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Fina

Posted on 3.10.2020

Gestaltung: Die schlichte, aber dennoch interessante Optik des Buches hat mich direkt angesprochen. Ich mag das weiße Cover in Verbindung mit der roten Schrift und dem Bild der unheimlichen Hütte im Wald sehr gerne! Auf mich hat die Aufmachung eine sehr edle Wirkung, nicht zuletzt, da die Qualität einfach hervorragend ist. Obwohl ich das Buch recht weit aufgebogen habe beim Lesen ist keine Leserille im Buchrücken zu erkennen und auch das Papier wirkt sehr hochwertig. In der Vergangenheit habe ich einige selbst veröffentlichte Werke gesehen, die nicht so hochwertig aufgemacht waren. Dieses Buch hier dagegen stellt so manches Verlagsbuch in den Schatten... Darum geht's: Jacob zieht mit seinen Eltern und der kleinen Schwester Lena nach einem Vorfall zurück in die Heimat der Eltern, die Berchtesgadener Alpen. Dort haben sie einen verlassenen Hof gekauft, der wieder in neuem Glanz erstrahlen soll. Doch es gibt Anfangsschwierigkeiten, als bereits auf der Anreise ein Autounfall passiert und der Vater sich mit dem zukünftigen Bürgermeister Huber anlegt. Obwohl die Familie einen Neuanfang wagen möchte, sind die Schatten der Vergangenheit noch immer präsent und Jacob begibt sich gemeinsam mit Nachbarin Hannah auf Spurensuche, um herauszufinden, was vor 20 Jahren passiert ist... Idee/Umsetzung: Ich mag Krimis und Thriller sehr gerne und finde es hier besonders toll, dass es sich zwar um einen Erwachsenen Roman handelt, unser Protagonist aber erst 18 Jahre alt ist und somit eine besondere Perspektive auf die Geschichte hat. Ich würde es nicht mal als reinen Spannungsroman bezeichnen, da es auch Züge eines Familienromans hat und insgesamt eine interessante Mischung aus vielen Facetten darstellt. Schreibstil: Der Schreibstil hat mich direkt in seinen Bann gezogen und aus dem "Das Buch kurz mal anlesen" wurden direkt 230 Seiten. Ich bin recht vorurteilsfrei und ohne Erwartungen an das Buch herangetreten, aber dass der Autor einen so besonderen Stil hat, habe ich nicht erwartet. Es ist nüchtern genug, als dass man den Fakten problemlos folgen kann, aber gespickt mit wunderschönen Beschreibungen und Sätzen, die ich mir auf der Zunge habe zergehen lassen. Selten habe ich bei Krimis und Thrillern einen so außergewöhnlichen Stil wahrgenommen, der spannend und trotzdem einfach "schön" ist. Falls der Autor noch weitere Bücher veröffentlichen sollte, würde ich sie alleine wegen seiner tollen Satzkreationen lesen wollen. Spannung: Die Geschichte beginnt bereits spannend, als der Autounfall passiert, bei dem sich Huber bereits als sehr unangenehm herausstellt. Danach geht es etwas seichter weiter, da die Familienverhältnisse erklärt werden und ein Kennenlernen mit den Nachbarn Karsten und Tochter Hannah stattfindet. Doch bereits am ersten Abend wird klar, dass Jacobs Mutter etwas aus ihrer Vergangenheit verschweigt, was mit den verschwundenen Mädchen in der Gegend zu tun hat und ab da begeben sich Jacob und Hannah auf Spurensuche. Von da an steigert sich die Spannung von Seite zu Seite und es gibt mehrere grandiose Wendungen und hitzige Verfolgungen. Manchmal werden auch Rückblicke eingebaut, wodurch die Vergangenheit der Familie und die Gegenwart elegant miteinander verwoben werden. Figuren: Jacobs Familie ist mir sehr sympathisch gewesen. Zu Anfang wirken sie wie eine "ganz normale" Familie, was sie auch sind, aber doch einige herbe Schicksalsschläge verkraften mussten. Besonders Jacobs Mutter hat ein großes Päckchen zu tragen und enthüllt nach und nach einige Geheimnisse ihrer Kindheit und Jugend. Da die Geschichte aus der Ich-Perspektive von Jacob erzählt wird, sind wir ihm besonders nah und ich habe ihn für seine logischen Schlussfolgerungen und seine ehrlichen Gefühle und Gedanken, insbesondere gegenüber Hannah, geschätzt. Ich war erstaunt, dass der Autor trotz relativ vieler Figuren und komplizierter Verflechtungen sich für alle Charaktere viel Zeit genommen hat, sie detailliert zu beschreiben und jede*m Leben einzuhauchen. Ob man eine Abneigung gegen jemanden hatte, wie z. B. Huber, oder jemanden sehr mochte, wie Jacob oder Lena, man tat dies immer aus vollstem Herzen. Umso schwerer fiel es mir, am Ende Abschied zu nehmen, da ich wirklich viele sehr ins Herz geschlossen habe. Was die Jagd nach dem/der Täter*in angeht, hatte ich komischerweise recht schnell den richtigen Riecher. Der Autor spielt mit dem/der Leser*in und legt falsche Fährten, was beim Lesen großen Spaß gemacht hat. Obwohl ich die richtige Vermutung hatte, ist die Auflösung keinesfalls zu offensichtlich und vom Autor toll und spannend konstruiert. Wie realistisch das ganze tatsächlich ist, vermag ich nicht einzuschätzen, aber es war spannend, aufwühlend und wendungsreich, und das ist alles, was ich mir von einem guten Thriller erhoffe. Auch, wenn sie nur eine kleine Rolle spielt, möchte ich gerne noch erwähnen, wie sensibel und schön die Annährung zwischen Jacob und Hannah beschrieben wurde. Einer meiner größten Kritikpunkte bei Liebesgeschichten ist, dass sie sich für meinen Geschmack zu schnell und heftig entwickeln. Das war hier gar nicht der Fall, sondern es wurde sehr authentisch immer mal wieder ein Gespräch oder ein Gedanke daran eingestreut, bis die beiden nach ewigem Hin und Her erste Schritte in dieser Richtung unternommen haben. Fazit: Ich bin ohne hohe Erwartungen an dieses Buch herangegangen und wurde mehr als überrascht! Dieses Debüt war ein wahrer Glücksgriff und ich möchte am liebsten loslaufen und allen Krimi- und Thrillerfans dieses wunderbare Buch in die Hand drücken. Es ist spannend, emotional, gut durchdacht und sehr wendungsreich. Wer auf der Suche nach einer Mischung aus düsterem Thriller und einer intensiven Familiengeschichte ist, der muss sich dieses Buch unbedingt mal genauer ansehen. Ich bin restlos begeistert und habe mein erstes Monatshighlight für den September damit gefunden.

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