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Posted on 28.9.2020

Die unglaubliche(n) Reise(n) der Pflanzen Mal wieder ein Sachbuch zum haltlosen Inhalieren. Vorausgesetzt Pflanzen, ihre Geschichte, Biologie und Botanik interessieren die LeserInnen. Stefano Manuscos „Die unglaubliche Reise der Pflanzen“ hat mich in Erstaunen und Begeisterung versetzt, brachte mich zum Lachen und Staunen. Nur das Sahnehäubchen in Form passender Zeichnungen fehlte, so dass, wer sich für das Aussehen der teils weniger bekannten Protagonisten interessiert, das Internet durchforsten muss um Bilder zu finden. Das fand ich ein wenig bedauerlich, darüber konnten auch die hübsch anzusehenden aber informativ nutzlosen Aquarelle von Grisha Fisher nicht hinwegtrösten. Aber das ist Jammern auf hohem Niveau. Inhaltlich waren die Pflanzenreisen und die Geschichten drumherum ein absoluter Hochgenuss. Stefano Manuscos „ … Geschichten über Pioniere, Flüchtlinge, Heimkehrer, Kämpfer, Einsiedler und Zeitreisende …“ sind leicht verständlich geschrieben, in fröhlichem Plauderton vorgebracht, haben es aber in sich. Tief berührt hat mich der Bericht über die „Hibaku jumoku“ die Heimkehrer von Hiroshima. Bäume die rund um das Epizentrum wuchsen und die Bombe überlebten, wieder neu ausschlugen und die von den Japanern zu Recht hochverehrt werden. Manusco, Professor für Pflanzenkunde an der Universität von Florenz und weitgereister Forscher hat nicht nur das botanische und historische Wissen, er kann es auch so lebendig, amüsant und anregend vermitteln, dass jede Seite gierig verschlungen wird. So hat das Felsengreiskraut vom Ätna aus Großbritannien erobert. Das afrikanische Lampenputzergras, eine aus der Subsahara stammende Pflanze, eroberte sich von Palermo aus ganz Sizilien. Ein wenig unschöner ist die Geschichte der Wasserhyazinthe, einer ursprünglich im Amazonasgebiet heimischen Wasserpflanze, die mittlerweile auf fünf Kontinenten in mehr als 50 Ländern verbreitet ist, und das amerikanische Verteidigungsministerium auf die Idee brachte, die von ihr befallenen Wasserläufe, die unbefahrbar werden, zu reinigen, indem sie planten, die Pflanze mit Öl zu übergiessen und anzuzünden. (Das war 1897. Die Pflanze hat bisher gewonnen.;)) Besser gefiel mir da der, nur an einer Stimme im Kongressausschuss, gescheiterte Antrag von Major Frederick Russell Burnham, der die Pflanzen mittels eingebrachten Flusspferden bekämpfen wollte, die dann gleich noch als Fleischlieferanten dienen könnten. Das Mysterium des Ursprungs der Kokospalme kann Manusco nicht lüften, gibt aber interessante Einblicke in ihre Verbreitungstechniken. Die ausgestorbene Megafauna riss beinah die Avocado mit sich, die, als die Spanier Amerika erreichten, fast schon verschwunden war. Wie sich die Avocado erhielt war fast schon unglaublich zu lesen. Manusco hat es aber gut begründet. Sehr berührend war das Kapitel über die Einsiedler wie der Fichte von Campbell Island, und der unfassbar idiotische (natürlich auf menschliches Versagen zurückzuführende) Tod der Akazie der Ténéré. Der auf Mauritius immer seltener werdende Doddobaum ist Ursprung einer interessanten, wenn auch nicht verifizierten Theorie, die aber wiederum die Komplexität unserer Ökosysteme verdeutlicht. Erfreulich, dass es mittlerweile gelungen ist eine 39 000 Jahre alte permagefrostete Pflanze wieder zum Leben zu erwecken. Es gibt Hoffnung und es erstaunt und beglückt mich immer wieder auf’s Neue welche Schönheit und Wunder sich auf dieser Erde befinden die wir so gierig am Zerstören sind. Manchmal wäre es wohl besser diese verdammten nackten Langnasenaffen würden sich endlich selbst ausrotten, bevor der Planet völlig kahl und leer ist. Kein schönes Fazit für ein Buch voller bezaubernder kleiner Wunder, ich weiß. Ich kann es nur wärmstens weiterempfehlen. Eine sachlichere Besprechung findet ihr hier. https://www.elementareslesen.de/stefano-mancuso-die-unglaubliche-reise-der-pflanzen/

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