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Bücherwürmle

Posted on 25.9.2020

Zuletzt habe ich ein Buch beendet, dessen Idee mich direkt neugierig gemacht hat: 2044, Werbung ist verboten, die Gesundheitssysteme so schlecht, dass vernünftige Behandlung kaum bezahlbar ist - erst recht nicht, wenn es um schwere Erkrankungen wie Krebs geht. Aber es gibt eine Ausnahme für beides: Wer sich dem Programm von Ventadorn anschließt, erhält die ersehnte Behandlung und gute Heilungschancen. Einfach so? Natürlich nicht. Im Austausch für die Übernahme der medizinischen Versorgung wird man zum Brandhailer. Ein Mikrochip lässt über das Unterbewusstsein Werbung einfließen, die die Brandhailer nebensächlich und unauffällig in Gesprächen verbreiten. Die Geschichte an sich ist sehr lebendig gestaltet und es wird nie langweilig. Und trotzdem hat der Autor zwischendurch immer wieder kleine Eastereggs für aufmerksame Leser eingebaut: Namens-Referenzen, real existierende Bahnstrecken, Orte, Möbel... sowas entdecke ich immer gern 😬 Ich hatte nicht nur wegen dieses gruseligen Szenarios echt Gänsehaut 🥺 Wie vertrackt die ganze Situation ist, in der gefühlt alle Charaktere im Buch stecken, hat mich wirklich zusehends mitgerissen. Ich war mit den Charakteren gemeinsam misstrauisch, ängstlich, rebellisch und einfach immer wieder schlichtweg schockiert. Immer wenn vermeintlich etwas Ruhe einkehrte, kam der nächste Klopper, besonders im letzten Drittel/Viertel. Ich hatte hohe Erwartungen - ich dachte auch eher an eine genauere Beleuchtung der im Klappentext genannten Werbe-Thematik, auf die allerdings weniger als erwartet eingegangen wird - wurde aber dennoch nicht enttäuscht. Dieses Buch ist eine literarische Achterbahnfahrt, weniger Euphorie, stattdessen sitzt man fassungslos im Wagen - Pardon, auf dem Sofa - und wartet ängstlich, was wohl die nächste Wendung bringt. Wovon ich auch total begeistert war ist, dass in Ventadorn endlich mal queere Charaktere vorkommen, ohne dass sie mit Pauken und Trompeten groß angekündigt und hervorgehoben werden, damit auch ja alle Leser sehen, wie LGBTQ+ freundlich der Autor ist. Hier war es einfach Teil davon und fertig, ganz normal eben. Und um nicht allzu verdächtig übertrieben begeistert zu klingen, folgt zuletzt noch ein kleiner Kritikpunkt, der aber wohl der Thematik geschuldet ist: Technik. IT-Systeme, Programmierung, künstliche Intelligenz, Hacking und Co sind komplexe Themen, die man den meisten Lesern erstmal erklären muss. Das muss genügend detailliert zum Verständnis sein, darf aber auch nicht ausufern. Sowas kommt in Ventadorn recht viel vor, an solchen Stellen muss ich immer etwas langsamer und besonders aufmerksam lesen. Ich denke aber, das wurde hier ganz gut gemeistert. Entsprechende Inhalte sind gut erklärt, da sie aber recht häufig vorkommen, sind sie zum Ausgleich wirklich oft knapp gehalten, damit sie den Lesefluss und Spannungsbogen nicht allzu sehr stören. Ein Balance-Akt mit der Variable „Leser“ quasi 😉 wie gesagt, mit bedachten Schritten meinerseits habe ich mich doch noch gut halten können, sodass ich den Fokus nicht verloren habe 😄

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